Das Chamäleon unter den Darmerkrankungen
Divertikulitis
Divertikel, Ausstülpungen des Darms, entwickeln viele Menschen im Laufe ihres Lebens. Wenn sie sich entzünden, Schmerzen verursachen oder Blutungen auslösen, hilft in manchen Fällen nur eine Operation.
Susanne Amrhein, PRIMO MEDICO
Divertikulitis, eine Entzündung von Aussackungen im Darm, könnte eigentlich als Volkskrankheit bezeichnet werden. Etwa 30 Prozent der über 50-jährigen und sogar bis zu 65 Prozent der Menschen über 85 Jahren haben Divertikel. Die gute Nachricht: Bei nur etwa 20 Prozent von ihnen verursachen die Aussackungen im Darm Beschwerden. „Divertikel können ganz unterschiedliche Krankheitsbilder hervorbringen, sie sind wie ein Chamäleon“, erklärt Prof. Dr. med. Robert Rosenberg, Spezialist für Viszeralchirurgie und Leiter des Bauchzentrums im Kantonsspital Baselland in der Schweiz. „Die meisten spüren gar nichts, während andere Schmerzen haben wie bei einer Blinddarmentzündung, nur auf der linken Seite. Es kann sogar vorkommen, dass die entzündeten Divertikel zu einem Darmdurchbruch führen, bei dem Stuhl in die Bauchhöhle gelangt oder sich neben dem Darm Abzesse bilden. Selten kommt es zu Fisteln zwischen entzündeter Darmwand und der Harnblase.“ Die Ausstülpungen entstehen in der Darmwand, die aus verschiedenen Muskel- und Bindegewebsschichten besteht. Füllen sich die Divertikel mit Kot, können durch die Einlagerung sogenannte Kotsteine entstehen. Eine angeborene Bindegewebsschwäche kann das Entstehen von Divertikeln begünstigen. Außerdem gelten Übergewicht und eine ballaststoffarme Ernährung als mögliche Ursachen.
Wie wird eine Divertikulitis behandelt?
Häufig tritt eine Divertikulitis im Sigma auf. Das ist ein gewundener Teil des Dickdarms bevor der Mastdarm anfängt, im linken Unterbauch. „Hinweise auf eine Divertikulitis ergeben sich im Patientengespräch, durch Entzündungswerte im Blut und lassen sich durch eine Ultraschalluntersuchung oder eine Computertomografie nachweisen“, erklärt Prof. Rosenberg. Eine Darmspiegelung sollte während der akuten Phase möglichst vermieden werden. Eine unkomplizierte Divertikulitis kann zunächst medikamentenfrei, durch viel Trinken, schonende Kost und viel Ruhe beruhigt werden oder durch die Gabe von Antibiotika behandelt werden. „Eine komplizierte Divertikulitis besteht dann, wenn es zu einem Darmdurchbruch gekommen ist. In diesem Fall bleibt nur eine Notfall-Operation. Im Falle einer gedeckten Perforation, bei der die undichten Stellen durch die benachbarten Organe abgedeckt werden, wird zunächst mit Antibiotika behandelt und je nach Gesamtsituation und Beschwerdebild anschließend operiert.“ Handelt es sich um einen Abzess im Bereich der Darmwand, so könne dieser mit einem Schlauch punktiert, gespült und drainiert werden.
Wann muss eine Divertikulitis operiert werden?
Während Ärzte früher bereits nach zwei Schüben zu einer Darmoperation geraten haben, um den entzündeten Bereich zu entfernen, empfiehlt Prof. Rosenberg heute gemäß den aktuellen Leitlinien eine genaue Riskio-Nutzen-Abwägung. „Bei Menschen, die sehr viel reisen müssen oder im Beruf großem Stress ausgesetzt sind, macht es sicher Sinn, frühzeitiger zu operieren“, so der Viszeral-Spezialist. „Bei vielen anderen hat sich der Operationszeitpunkt deutlich nach hinten verschoben. Die meisten weisen 4-6 Schübe auf, bis eine Entscheidung zur Operation gemeinsam mit Hausarzt, Gastroenterologen und Patienten getroffen wird.“ Eine Divertikulits-OP wird im Baselland Spital minimalinvasiv mit der sogenannten „Schlüssellochtechnik“ ausgeführt. Der Zugang erfolgt nur über kleine Schnitte, das entzündete Darmstück wird mit Hilfe schonender Instrumente und modernster Kameratechnik entfernt. „Wenn alles normal verläuft, dann stehen die Patienten am Abend der Operation bereits auf und erhalten etwas zu essen und zu trinken. Eine Entlassung ist oftmals bereits nach 5 Tagen mit gutem Gewissen möglich“. In der Regel heilen die beiden Darmenden nach einer Divertikulitis-OP problemlos ab. Die gefürchtetste Komplikation ist eine Undichtigkeit der neu hergestellten Darmverbindung. Allerdings tritt diese bei geplanten Operationen nur äußerst selten bei 1-3 Prozent auf.
Wie kann man einer Divertikulitis vorbeugen?
Da die sich die Ursachen dieser Darmentzündung nicht genau festschreiben lassen, gibt es auch keine eindeutigen Empfehlungen zur Vorbeugung, so Prof. Rosenberg. „Eine ballaststoffreiche Ernährung ist sicher hilfreich, nicht nur in Bezug auf Divertikulitis.“ Auch der Genuss von Alkohol und Zigaretten sowie starkes Übergewicht scheinen eine Entzündung der Darmaussackungen zu begünstigen. Patienten, die unter Bluthochdruck, Allergien oder einem schwachen Immunsystem leiden, haben ebenfalls ein höheres Risiko. Auch bestimmte Medikamente, wie Kortisonpräparate oder nicht-steroidale Antiphlogistika wie Ibuprofen und Diclofenac, könnten dazu führen, dass sich Divertikel entzünden. „Daher sollten Menschen mit Divertikeln möglichst auf diese Medikamente verzichten“, rät Viszeral-Spezialist Rosenberg.
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