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Intensiv-Therapie für Parkinson-Patienten

Parkinson-Komplexbehandlung

Die vielfältigen Auswirkungen einer Parkinson-Erkrankung stellen die Betroffenen und pflegende Personen vor große Herausforderungen. Ein effektiver Therapieansatz ist die multimodale Parkinson-Komplexbehandlung, erklärt Prof. Dr. med. Thomas Müller, Spezialist für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie sowie Chefarzt der Klinik für Neurologie des Alexianer St. Joseph-Krankenhauses Berlin-Weißensee.

Interview: Susanne Amrhein, PRIMO MEDICO

Was versteht man unter einer Parkinson-Komplexbehandlung?

Prof. Müller: „Die Parkinson-Komplextherapie ist eine stationäre Behandlung für die Dauer von mindestens 14 Tagen, häufig aber auch über einen Zeitraum von drei Wochen und länger. Sie besteht aus medizinischen und aktivierenden Therapieansätzen in hoher Frequenz. Nach den Vorgaben der Krankenkassen sind dies mindestens 7,5 Stunden pro Woche, über die wir hier in Weißensee, wenn möglich, meist noch hinausgehen. Grundlage der Behandlung ist die optimale medikamentöse Einstellung der Patienten. Da sich Morbus Parkinson bei jedem Betroffenen anders zeigt, erhält jeder Patient eine maßgeschneiderte Therapie, die an den Verlauf der Erkrankung und ihre Symptome angepasst ist. Im Rahmen einer personalisierten Therapie gehen wir stark auf die Bedürfnisse von Patienten ein. Von standardisierten Verfahren sehen wir ab.“

Für welche Parkinson-Patienten ist eine Komplexbehandlung sinnvoll?

Prof. Müller: „Je weiter fortgeschritten die Parkinson-Erkrankung ist, desto effektiver wirkt die Parkinson-Komplexbehandlung. Zum einen trägt die Kombination aus medikamentöser Einstellung, intensiver Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie und gegebenenfalls weiteren Therapien sowie Entspannungsangeboten maßgeblich zur temporären Verbesserung der Lebenssituation bei. Zum anderen entlastet sie für den Zeitraum des stationären Aufenthalts pflegende Angehörige. Deshalb bieten wir auch einen individuellen Abholservice, wenn möglich und sinnvoll, Catering, wenn gewünscht und notwendig, um einen hohen Standard für die Betreuung von Parkinson-Patienten überwiegend in Ein- und Zweibettzimmern zu ermöglichen. Ich möchte betonen, dass die Parkinson-Komplexbehandlung allerdings auch für Patienten geeignet und sinnvoll ist, bei denen erst kürzlich Parkinson diagnostiziert wurde. Gerade während der Anfangszeit haben viele Betroffene Schwierigkeiten, diese unheilbare Erkrankung zu akzeptieren und brauchen intensive Begleitung, Betreuung, Psychotherapie und gute Aufklärung beziehungsweise eine Schulung im Umgang mit der Erkrankung.“

Podcast Parkinson

Nach welchen Kriterien wird das individuelle Therapieziel festgelegt?

Prof. Müller: „Wir verfügen über erfahrene Teams in den einzelnen Fachbereichen, so dass persönliche Problemfelder der Patienten rasch erkannt werden. In unseren regelmäßigen, fachübergreifenden Besprechungen legen wir die bestmögliche, individuelle Therapie fest, um für unsere Patienten die optimale Lebensqualität zu erreichen.“

Basiert die Parkinson-Komplextherapie auf Einzel- oder Gruppentherapien?

Prof. Müller: „Sowohl als auch: Logopädie, Ergotherapie, „BIG Training“, Sporttherapie, Bogenschießen und Physiotherapie finden in der Regel als Einzeltherapie komplementiert durch Angebote in Gruppentherapie statt. Weitere aktivierende Programme wie beispielsweise Yoga, Tanzen oder Tai Chi finden in der Gruppe statt. Wenn möglich, finden diese Aktivitäten in dem großen Park der Klinik im Freien oder alternativ in der Turnhalle statt. Welche Aktivitäten für den jeweiligen Patienten sinnvoll sind, entscheidet – wie erwähnt – ein Team aus hochqualifizierten Fachärzten in Kooperation mit erfahrenen Pflegekräften und den langjährig Parkinson-Patienten behandelnden Therapeuten.“

Zittern, steife Muskeln, Gleichgewichtsstörungen – wie gut bekommen Sie diese belastenden Symptome innerhalb weniger Wochen in den Griff?

Prof. Müller: „Parkinson äußert sich nicht nur in den nach außen sichtbaren motorischen Störungen. Diese kann man durch die optimale Einstellung der Parkinsonmedikamente gut in den Griff bekommen und mit Hilfe der Physiotherapie mildern. Wichtig ist aber vor allem die ganzheitliche Betrachtung der Patienten und ihres neuro-psychiatrischen Krankheitsbilds. Manchmal entwickeln sich Belastungen wie eine medikamentöse Psychose, eine Depression oder kognitive Störungen. Diese gilt es zu erkennen, aufzuklären und zu behandeln.“

Gerade der Verlust der Fähigkeit zu alltäglichen Verrichtungen wie dem Anziehen stellen für viele Betroffene und ihre Angehörigen große Probleme dar. Was kann hier eine Komplextherapie im Vergleich zu ambulanten Parkinsontherapien erreichen?

Prof. Müller: „Die intensive Ergotherapie während der Parkinson-Komplexbehandlung ist ein guter Wegbereiter, sowohl für die Patienten selbst als auch für die Angehörigen. Gleichzeitig bieten wir während des Klinikaufenthalts sozialtherapeutische Hilfe für die Zeit nach der Entlassung an. Das heißt wir helfen beim Beantragen von Pflegeleistungen und den Anträgen für medizinische Hilfsmittel, die den Alltag der Patienten erleichtern.“

Wie werden Sprechstörungen im Rahmen einer Parkinson-Komplextherapie behandelt?

Prof. Müller: „Ein häufiges Symptom bei Morbus Parkinson ist eine leise undeutliche Sprache (Hypophonie). Diese entsteht durch die eingeschränkte Bewegungsmöglichkeit der Atemmuskulatur: Parkinson-Patienten atmen flacher, so dass die Stimme leiser wird und heiser beziehungsweise undeutlich klingt. Spezielle Therapien im Rahmen der Logopädie trainieren die Sprachmuskulatur und erzielen exzellente Ergebnisse. Auch, weil wir mehr als die von den Krankenkassen vorgegebenen 7,5 Therapiestunden pro Woche anbieten.“

Welche Rolle spielt die Behandlung von Depressionen bei Parkinson-Patienten?

Prof. Müller: „Morbus Parkinson ist eine schwere Erkrankung mit gravierenden Auswirkungen. Daher leiden viele Parkinson-Patienten unter Depressionen oder Angststörungen. Diese müssen dringend erkannt und rechtzeitig behandelt werden, sowohl medikamentös als auch durch kognitive Verhaltenstherapien. Die psychologische Betreuung spielt daher bei der Parkinson-Komplexbehandlung eine Rolle. Von Vorteil ist, dass wir die Patienten während des stationären Aufenthalts täglich sehen.“

Wie wirksam sind moderne Parkinsonmedikamente?

 Prof. Dr. med. Thomas Müller Chefarzt Neurologie, Psychiatrie und PsychotherapieProf. Müller: „Die richtige medikamentöse Einstellung ist von großer Wichtigkeit, aber sie braucht Zeit. Daher ist die Parkinson-Komplexbehandlung eine sehr gute Möglichkeit, diese Basis-Einstellungen vorzunehmen und mögliche Nebenwirkungen abzufangen. Während des Klinikaufenthalts können wir in Zusammenarbeit mit den Patienten eine regelmäßige Medikamenteneinnahme sicherstellen. Diese enge Begleitung erhöht die Bereitschaft zur Einnahme der Medikamente, weil die Patienten innerhalb kürzester Zeit spüren, wie viel besser es ihnen gehen kann. In vielen Fällen ist eine Tiefen-Hirnstimulation überhaupt nicht erforderlich–was aus meiner Sicht ein großer Vorteil ist, da diese intensiv beworbene Methode leider teilweise, tiefgreifende Persönlichkeitsveränderungen und kognitive Störungen auslösen kann. Wir sind stolz darauf, so wenig invasiv wie möglich zu behandeln.“

Wie sind die Erfolgsaussichten der Parkinson-Komplextherapie?

Prof. Müller: „Die Parkinson-Komplexbehandlung hat eine erfreulich hohe Ansprechrate. Erfahrung ist eines der entscheidenden Kriterien für den Erfolg. Qualität ist dabei nicht, wenn man darüber berichtet und irgendwelche Kriterien erfüllt, sondern wenn man Qualität bietet. Vor diesem Hintergrund setzen wir hier auch nur Originalpräparate zur medikamentösen Parkinsontherapie ein und nicht Generika. Zwar haben diese denselben Wirkstoff, aber die Zubereitung, zum Beispiel die Freisetzung im Körper, ist schlechter und anders, so dass andere Wirkspiegel im Vergleich zu den Originalpräparaten entstehen. Ein oft in Apotheken durchgeführter, unbedachter Wechsel zu Generika unter dem Gebot der Wirtschaftlichkeit kann den Erfolg einer Komplexbehandlung schnell zunichtemachen. Hier muss zukünftig ambulante Versorgung und Pflege im gesundheitspolitischen Bereich noch einiges verbessern, damit Therapieerfolge möglichst lange im ambulanten Bereich erhalten bleiben. Um die Lebensqualität der Parkinson-Erkrankten immer wieder anzuheben und ihre Angehörigen zu entlasten, kann und sollte die Komplexbehandlung regelmäßig wiederholt werden. Ein Limit für die Anzahl der Parkinson-Komplextherapien gibt es nicht.“


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