Knorpelschäden im Kniegelenk frühzeitig behandeln
Kniegelenkstherapie
Regenerative Verfahren können Knorpelschäden im Knie reparieren und der Entstehung einer Kniearthrose vorbeugen oder diese verzögern.
Susanne Amrhein, PRIMO MEDICO
Eine Schädigung des Gelenkknorpels zählt zu den häufigsten Erkrankungen des Kniegelenks. Zunächst entsteht auf der Grundlage einer Verletzung ein begrenzter Knorpelschaden, der mittelfristig dann zu einer sogenannte Arthrose führt. Das Gelenk schmerzt, entzündet sich, schwillt an. Die Betroffenen verlieren häufig die Fähigkeit, sich normal zu bewegen. Abhängig vom Stadium der Erkrankung und dem Leidensdruck der Patienten bleibt als letzte Alternative häufig nur der künstliche Gelenkersatz. Prof. h.c. PD Dr. med. Matthias Steinwachs ist Spezialist für Kniechirurgie an der SportClinic Zürich an der Klinik Hirslanden/Schweiz und Mitglied eines Beraterstabs, der innovative medizinische Entwicklungen bewertet. 2012 wurde er im Rahmen einer klinischen Studie auf ein Gel aufmerksam, das einen hochwertigen Knorpelaufbau im Kniegelenk fördern soll. Überzeugt von den Erfolgen, hat er dieses Gel seit 2013 bei 110 Patienten angewandt: „Das Gel überzeugt durch das Entstehen einer hohen Gewebequalität, mit der der Knorpelschaden aufgefüllt ist und der Knorpelschwund aufgehalten werden kann. Ich habe eine eigene Technik entwickelt, das Gel arthroskopisch, also minimal-invasiv nur durch kleine Schnitte, in das Knie zu applizieren. Für die Betroffenen bringt diese Therapie in 80 Prozent der Fälle eine deutliche Verbesserung der Bewegungs- und Belastungsfähigkeit, sogar bis hin zu der Möglichkeit, Leistungssport zu betreiben“.
Knorpelschwund aufhalten
Um das Kniegelenk in seiner natürlichen Funktion zu erhalten, muss das Fortschreiten des Knorpelschwunds gestoppt und neues Knorpelgewebe die entstandenen Schäden ausgleichen. Wie bei der herkömmlichen Methode der Mikrofrakturierung, wird dazu im Gelenk an mehreren Stellen der Knochen angebohrt. Daraufhin bilden eingewanderte Zellen zusammen mit dem Blut neues Knorpelgewebe, erklärt Prof. Steinwachs: „Das Problem der reinen Mikrofrakturierung ist, dass der neu gebildete Faserknorpel eine schlechte Qualität und eine geringe Haltbarkeit bzw. Belastungsfähigkeit aufweist. Nach nur drei Jahren können erneut Knorpelschäden entstehen. Durch Beimischung des knorpelaufbaufördernden Gels entsteht dagegen ein sehr viel stabilerer, hochwertiger Knorpel mit glatter Oberfläche“. Das Gel enthält Extrakte aus der Schale von Shrimps, die auch im menschlichen Knorpel vorkommen. Dies erklärt die gute Verträglichkeit und den positiven Effekt auf das Knorpelwachstum.
Sicherer Eingriff, schnelle Genesung
Der Eingriff selbst erfolgt stationär und arthroskopisch: Das Gelenk wird sowohl für die optischen als auch für die Operationsinstrumente nur mit kleinen Schnitten eröffnet. Direkt nach dem Eingriff müssen die Patienten zwölf Stunden Bettruhe halten, damit sich als Basis für das neue Gewebe ein fester Blut-Gel-Pfropfen bilden kann. Das Knie wird mit Hilfe einer Schiene in Streckung gehalten. Anschließend beginnt umgehend die Physiotherapie. „In den ersten sechs Wochen nach dem Einbringen des Gels entsteht bereits primitives, noch sehr weiches Gewebe“, erklärt Kniespezialist Steinwachs. „In dieser Phase sollte das Gelenk nicht überlastet werden und die Patienten sollten Gehstöcke verwenden, um sich fortzubewegen. In der darauffolgenden Reifungsphase verfestigt sich der Knorpel schrittweise, weshalb die Belastung nun angepasst gesteigert werden kann. Zusätzlich wird die Regeneration durch den Einsatz einer Motorschiene, die das Knie täglich zwei Stunden lang bewegt, gefördert. Nach sechs Monaten Schonung und Aufbautherapie ist der neu entstandene Kniegelenksknorpel ausgereift („maturiert“) und kann normal belastet werden. Auch Sport ist dann in der Regel wieder möglich.
Knorpelaufbauförderndes Gel – die Knietherapie der Zukunft?
Bei 80 Prozent der behandelten Patienten hat sich durch die knorpelaufbaufördernde Gel-Therapie eine deutliche Linderung der Beschwerden gezeigt. „Natürlich ist es einfacher, einen kleineren Knorpelschaden von zwei Quadratzentimetern erfolgreich zu behandeln“, betont Prof. Steinwachs. „Ist der Knorpelschwund bereits zu weit fortgeschritten, muss man die geschädigte Gelenkfläche mit einer Membran abdecken. Das geschieht in der Regel im Rahmen einer offenen Operation, nicht arthroskopisch. Daher ist es ganz wichtig, dass die Patienten möglichst sofort, mit akuten, frischen Beschwerden zu uns kommen, die noch nicht voroperiert sind“. Prof. Steinwachs ist sicher, dass die Mikrofrakturierung ohne knorpelaufbaufördernde Zusätze bald ausgedient hat: „Zur Zeit ist die Applikation des Gels noch eine technische Herausforderung. Ein schwieriges Verfahren, das nur wenige Mediziner beherrschen. Aber das wird sich hoffentlich in Zukunft ändern“. Bereits jetzt kann er Erfolge vorweisen, die sich sehen lassen können: Der Schweizer Handball-Profi Tobias Madliger konnte nach langer Leidensgeschichte dank Prof. Steinwachs’ Geltherapie in den Leistungssport zurückkehren. Eine zweite, randomisierte Studie zur Wirksamkeit der arthroskopischen Geltherapie ist bereits in Arbeit.
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