Minimal-invasive Korrektur für ein neues Selbstbewusstsein
Trichterbrust
Von einer Trichterbrust, einer Einsenkung des Brustkorbs, sind mehr Männer als Frauen betroffen. Damit verbundene Einschränkungen der Herz- und Lungenfunktion sind eher selten. Schwerwiegender ist die psychische Belastung, erklärt Dr. Uwe von Fritschen, Facharzt für Plastische & Ästhetische Chirurgie und Chefarzt im Helios Klinikum Emil von Behring in Berlin.
Interview: Susanne Amrhein, PRIMO MEDICO
Was genau versteht man unter einer Trichterbrust?
Dr. von Fritschen: „Bei einer Trichterbrust handelt es sich um eine Einsenkung und Verdrehung des Brustkorbs. Sie ist die häufigste, angeborene Fehlbildung des knöchernen Thorax, von der mehr Männer als Frauen betroffen sind. Ob diese Deformität Auswirkungen auf das dahinter liegende Herz oder die Lunge hat, hängt vom Ausmaß der Verformung ab. In gravierenden Fällen kann sie zu Herz-Rhythmus-Störungen und einer eingeschränkten Lungenfunktion führen. Davon betroffen sind allerdings nur rund fünf Prozent der Trichterbrust-Patienten. In 95 Prozent der Fälle ist die Trichterbrust asymptomatisch bzw. verursacht nur geringe Symptome. Sehr viel stärker ausgeprägt ist dagegen die psychische Belastung durch die sichtbare Deformation des Brustkorbs. Sie führt zu einer erheblichen Minderung des Selbstbewusstseins, einer Einschränkung der Lebensqualität und zur Entwicklung starker Schamgefühle besonders in Situationen, in denen der freie Oberkörper sichtbar ist, wie z.B.im Schwimmbad.“
Können nicht-invasive Therapien helfen?
Dr. von Fritschen: „Bei einer Trichterbrust handelt es sich um eine Wachstumsstörung des Knochenknorpels. Das können Sie durch Krankengymnastik nicht wegtrainieren. Es gibt Versuche, den eingesunkenen Brustkorb durch das Aufsetzen einer Saugglocke anzuheben. Dies kommt allerdings – wenn überhaupt – nur für jüngere Patienten mit einer Trichterbrust in Frage, weil bei älteren Menschen Knochen und Knorpel bereits zu stark verhärtet sind. Dazu muss man wissen, dass so eine Saugglocke ein relativ großes Gerät ist, das vorne auf dem Brustbein getragen werden muss und durch den Unterdruck ein permanentes Ziehen verursacht. In einem weiteren Therapieansatz wird ein Magnet unter das Sternum (Brustbein) eingebracht, das Gegenstück dazu wird auf einer Platte außerhalb des Brustbeins getragen. Auch bei diesem sogenannten ‚Magnetic mover’ soll das Brustbein angehoben werden. Man muss allerdings sagen, dass es sich fast immer um reine Selbstzahler-Therapien handelt, deren Kosten nicht von den Krankenkassen übernommen werden und deren Erfolgsaussichten gering sind. Dementsprechend hoch ist die Zahl der Patienten, die diese Therapien abbrechen.“
Welche Operationsverfahren helfen bei einer Trichterbrust?
Dr. von Fritschen: „Bei einer gravierenden Deformität, die erhebliche körperliche Probleme mit sich bringt, führt an einem knochenumformenden Eingriff, bei dem der Brustkorb neu geformt werden muss, kein Weg vorbei. Davon sind allerdings nur sehr wenige Trichterbrust-Patienten betroffen. Eine häufig angewandte Operationsmethode ist das sogenannte ‚Nuss-Verfahren’, bei dem ein bis zwei Metallbügel unterhalb des Brustbeins eingebracht werden und die eingesunkenen Knochen und Knorpel nach außen drücken. Wenn tatsächlich erhebliche kardio-pulmonale Einschränkungen auftreten, ist diese Methode überlegenswert. Aber sie ist ganz sicher kein ‚Spaziergang’, wie man so schön sagt. Die Komplikationsrate liegt zwischen 5 und 23 Prozent, u.a. dadurch, dass sich die Befestigung der Bügel an den Rippen lösen kann. Die Patienten müssen nach dem Eingriff intensiv betreut werden und bedürfen einer hohen Schmerzmedikation mit anschließender Atemgymnastik und Krankengymnastik. Nach zwei bis drei Jahren müssen die stützenden Bügel wieder entfernt werden. Damit besteht die Gefahr, dass der Brustkorb durch den fehlenden Druck von Innen wieder teilweise einsinkt.“
Welche Vorteile hat die Therapie der Trichterbrust mit Custom made – Implantaten?
Dr. von Fritschen: „ Bei einer Ausprägung ohne körperliche Beeinträchtigung kann der Defekt aufgefüllt werden. Dafür stehen zwei Verfahren zur Verfügung. Bei leichten Ausprägungen der Trichterbrust mit sehr dezenter Einsenkung kann Eigenfett zum Auffüllen des Defekts verwendet werden. Dies behebt zwar nicht die Deformität als solche, hat aber einen positiven Effekt auf das Aussehen und sehr viel weniger Nachteile als die großen Operationsverfahren. Voraussetzung ist, dass am Körper der Patienten ausreichend Eigenfett zur Transplantation vorhanden ist. Ggf. sind hier mehrere Eingriffe notwendig. Bei größeren Trichterbrust-Defekten erzielen wir sehr gute Erfolge mit individuell angefertigten Implantaten. Sie werden während eines minimal-invasiven Eingriffs unter die Brustmuskulatur geschoben. Diese starken Muskeln überdecken das Implantat später an Ort und Stelle. Ein Einsetzen des Implantats direkt unter der Haut hat den Nachteil, dass bei schlanken Patienten die Ränder des Implantats sicht- und tastbar sein können. Dies ist bei der Platzierung des Implantats unter den Muskelschichten nicht der Fall.“
Wie aufwändig ist das Einsetzen von Implantaten bei einer Trichterbrust?
Dr. von Fritschen: „Da bei diesem Eingriff am Brustkorb die Bauch- und Brustmuskeln gelöst werden müssen, sollte er unbedingt von einem erfahren Spezialisten ausgeführt werden. Die Operation selbst erfolgt in Vollnarkose und dauert ca. eine Stunde. Der Hautschnitt ist etwa sechs bis sieben Zentimeter lang und erfolgt über dem Brustbein. Eine Nachbetreuung auf der Intensivstation ist nicht erforderlich, die Nachwirkungen der Operation beschränken sich auf die Bildung von Wundwasser, dass wir durch Drainagen ableiten. Alternativ wäre auch eine wiederholte Punktion möglich, die wir allerdings lieber vermeiden. Zur Schmerzbehandlung reichen einfache Tabletten, die meisten Patienten berichten lediglich von einem Gefühl wie bei einem Muskelkater. Der Krankenhausaufenthalt beschränkt sich im Durchschnitt auf drei Tage. Im Einzelfall kann es notwendig sein, dass die Patienten nach dem Eingriff Kompressionswesten tragen. Im Normalfall reicht eine feste Bandage am ersten Tag nach der OP. Gesellschaftsfähig sind die Patienten unserer Erfahrung nach bereits nach fünf bis zehn Tagen. Es dauert allerdings bis zu drei Monate, bis der behandelte Körperbereich vollständig abgeschwollen ist und die gelösten Muskelfasern sich regeneriert haben. Während dieser Zeit sollten sich die Patienten schonen. Anschließend sind dann allerdings jegliche Sportarten und Aktivitäten uneingeschränkt möglich.“
Sind Folgeeingriffe bzw. ein Austausch des Implantats notwendig?
Dr. von Fritschen: „Die Implantate zum Auffüllen einer Trichterbrust sind aus härteren Materialien als Implantate der weiblichen Brust. Wir gehen also davon aus, dass es sich um ein dauerhaftes Implantat handelt, das keinen Austausch erfordert. Falls Frauen im Rahmen ihrer Trichterbrust-Therapie auch eine Brustvergrößerung wünschen, kann diese im Abstand von etwa sechs Monaten erfolgen, wenn eine Ausheilung der Muskulatur erfolgt ist. Ich möchte unbedingt von Versuchen abraten, eine Trichterbrust bei Frauen durch eine Brustvergrößerung zu kaschieren. Aufgrund der Deformierung des Brustkorbs führt dies häufig zu einer Fehlstellung der vergrößerten Brüste und nicht zum gewünschten Erfolg.“
Welche Komplikationen sind möglich?
Dr. von Fritschen: „Abstoßreaktionen sind uns nicht bekannt. Wie bei jedem operativen Eingriff sollten gute Hygienekontrollen darauf abzielen, Infekte möglichst zu vermeiden. Das bereits erwähnte Wundwasser im Operationsbereich ist nur ein vorübergehender Zustand. Tastbare Implantatränder sind dank der Implantation unterhalb der Muskulatur ebenfalls kein unerwünschter Effekt mehr. Der einzige Nachteil ist die Narbe im Bereich des Brustbeins. Aber damit können die meisten Betroffenen gut leben, im Gegenzug für das neugewonnene ästhetische Erscheinungsbild ihres Oberkörpers.“
Wird eine Korrektur der Trichterbrust von den Krankenkassen bezahlt?
Dr. von Fritschen: „Wie bei allen Eingriffen, die aufgrund von psychischen Belastungen erfolgen, sind die Krankenkassen leider sehr zögerlich in Bezug auf die Kostenübernahme. Wir unterstützen alle unsere Patienten bei den entsprechenden Anträgen. Falls die Kostenträger nicht einspringen, fallen für das individuell angefertigte Implantat Kosten von ca. 2.900 Euro an. Das Implantat wird nach CT-Bildern des Thorax (Computertomograhie-Bildern des Brustkorbs) entworfen und ein Probeexemplar am 3-D-Drucker erstellt. Dieses Modell dient dann dem Implantathersteller als Vorlage für das individuelle Original. Die Operation zum Einsetzen des Implantats kostet etwa 4.000 Euro.“
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