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Sicher, schmerzlos und ohne Nähte

Minimal-invasive Netzhautchirurgie

Prof. Dr. med. Justus G. Garweg

Die Netzhaut ist ein sehr dünnes und sehr empfindliches Nervengewebe an der Hinterwand des Auges. Sie hat die Aufgabe, das Bild, das wir sehen, in Nerven-Impulse umzusetzen und über den Sehnerven ins Gehirn weiterzuleiten. Viele Verletzungen und Erkrankungen der Netzhaut können heutzutage minimal-invasiv operiert werden, erklärt Prof. Dr. med. Justus G. Garweg, Spezialist für Netzhaut-Erkrankungen in der Berner Augenklinik im Lindenhofspital.

Interview: Susanne Amrhein, PRIMO MEDICO

Bei welchen Erkrankungen der Netzhaut ist eine Operation unumgänglich?

Prof. Garweg: „Bei etwa der Hälfte der Patienten, die wir operieren, hat die Netzhautmitte, die Makula, ein Problem. Zum Beispiel, wenn sich am Fixierpunkt ein Loch gebildet hat, oder die Makula durch eine dünne Narbenschicht, eine epiretinale Membran oder Gliose, geschädigt wird. Dann kommt es zu Sehverzerrung und Sehschärfeverlust. Die andere Hälfte unserer Patienten sind Notfallpatienten mit einer Netzhautablösung und Diabetiker, bei denen die Stoffwechselerkrankung infolge zu hoher Blutzuckerspiegel und zu hoher Blutdruckwerte die Netzhaut angegriffen hat.“

Auch in der Netzhautchirurgie setzen sich minimal-invasive Operationstechniken durch – welche Vorteile bringen diese Verfahren?

Berner Augenklinik

Prof. Garweg: „Früher war es in etwa einem Drittel der Fälle mit einer Netzhautablösung notwendig, mehrfach zu operieren. Heute ist dies dank der minimal-invasiven Technik, die sich bereits vielerorts durchgesetzt hat, deutlich seltener der Fall. Hinzu kommt, dass die Eingriffe sehr viel atraumatischer geworden sind. Während die Patienten sich nach einer Netzhautoperation früher über mehrere Monate lang erholen mussten, ist dies heute auf einen Zeitraum von Tagen bis maximal zwei Wochen beschränkt, behandlungsbedürftige Nachblutungen sind selten geworden. Die minimal-invasiven Eingriffe sind in der Regel weitgehend schmerzfrei – sowohl während der Operation als auch danach. Auch das kosmetische Ergebnis ist viel besser. Während die Patienten nach einer Netzhaut-OP früher vier Wochen lang mit geschwollenen Augenlidern herumliefen, tritt heute höchstens zwei bis drei Tage lang eine leichte Schwellung auf. Früher war es zudem üblich, bei Netzhautoperationen ein stabilisierendes Bändchen (Cerclage) um den Augapfel zu legen, das später oft wieder entfernt werden musste. Dadurch liegt das operierte Auge später teilweise tiefer als das andere und es kann eine Kurzsichtigkeit entstehen oder verstärkt werden. Dank der minimal-invasiven Operationstechniken ist dies nur noch sehr selten nötig. Außerdem haben wir heute dank der atraumatischen Technik die Möglichkeit, bei Bedarf während desselben Eingriffs auch einen Grauen Star zu operieren. Man erspart den Patienten damit eine weitere Operation und vermeidbare Gesundheitskosten.“

Ist die minimal-invasive Netzhautchirurgie für alle Patienten geeignet?

Prof. Garweg: „Die einzige Einschränkung ist die Jugend. Je jünger eine Patientin oder ein Patient ist, desto schwieriger ist ein chirurgischer Eingriff an der Netzhaut. Das liegt daran, dass der anliegende Glaskörper sehr kompakt ist und sehr stabil an der Netzhaut klebt, sodass man ihn kaum ohne großen Schaden vollständig entfernen kann. Das ist aber erforderlich, damit die Netzhaut langfristig die Operation schadlos übersteht. Ab einem Alter von etwa 30 Jahren können wir grundsätzlich alle notwendigen Netzhauteingriffe minimal-invasiv vornehmen, bei jungen Menschen ab 15 Jahren nur bei etwa einem Drittel.“

Wie wichtig ist das richtige Timing?

„Auch wenn nicht in jedem Fall eine Operation erforderlich ist: Je früher ein Patient mit einer Netzhauterkrankung zu uns kommt, desto besser kann der Verlauf eingeschätzt und der richtige Zeitpunkt für eine Operation gefunden werden. Eine frische Netzhautablösung ist ein Notfall, den wir am gleichen Tag, je nach Befund aber spätestens innerhalb von drei Tagen operieren. So können wir sicherstellen, dass sowohl das Blickfeld, als auch eine möglichst gute Sehschärfe wiederhergestellt werden. Wird eine Netzhautablösung erst einen Monat nach dem Auftreten chirurgisch behandelt, geht es vorrangig darum, das Auge zu erhalten. Bei anderen Netzhauterkrankungen, die eine Operation erfordern, ist das richtige Timing aber ebenso wichtig. Je länger die Erkrankung andauert, desto größer ist das Risiko, dass mehrere OPs notwendig werden. In den meisten Fällen können wir für unsere Patienten das verlorene Sehvermögen weitgehend zurückholen. Als Faustregel kann man sagen: Was der Patient vor einem halben Jahr sehen konnte, kann er auch nach der Netzhaut-OP wieder sehen. Wenn die Sehstörung bereits einige Jahre besteht, können wir das vorhandene Restsehvermögen stabilisieren, aber kaum noch eine Verbesserung erwarten. Daher ist es immer traurig, wenn Patienten aus Angst vor einer Operation zu spät zu uns kommen.“

Wie aufwändig sind minimal-invasive Netzhautoperationen?

Prof. Garweg: „Das einzig Aufwändige an dem Verfahren sind die teuren Geräte und Einmalinstrumente. Sie sind mit Durchmessern von 0,5 bis 0,6 Millimetern so winzig, dass sie zu fein zum Reinigen sind und daher nur als Einmalwerkzeuge verwendet werden können. Der eigentliche Eingriff ist technisch aber sonst nicht aufwändig. Während wir früher die Bindehaut öffnen, nähen und Blutungen stillen mussten, fließt bei der minimal-invasiven Netzhautchirurgie heute praktisch kein Blut mehr und es sind auch keinerlei Nähte notwendig. Das ist deutlich weniger belastend für die Patienten und spart Zeit.“

Wie empfinden Ihre Patienten eine minimal-invasive Netzhautoperation?

Prof. Garweg: „Wir sorgen dafür, dass die Patienten bereits vor Beginn der Operation entspannt und schmerzfrei sind. Sie spüren nichts, sie sehen nichts Beunruhigendes und können während des Eingriffs ganz normal mit uns sprechen. 98 Prozent benötigen keine Narkose, sondern erhalten für die Operation eine örtliche Betäubung. Nur für die Betäubungsspritze am Auge brauchen wir eine Kurznarkose. Je nach Grunderkrankung und Lebenssituation kann eine minimal-invasive Netzhautoperation ambulant oder während eines kurzen Klinikaufenthalts durchgeführt werden. Bis die Sehfähigkeit zurückkehrt, dauert es meist zwischen drei Tagen und zwei Wochen. Danach ist die Arbeitsfähigkeit meistens bereits wieder weitgehend hergestellt. Allerdings sollte man wissen, dass das Auge zunächst noch nicht so belastbar ist und bei Anstrengung röten oder tränen kann.“

Welche Nachteile bringt die minimal-invasive Netzhautchirurgie mit sich?

Prof. Garweg: „Für die Patienten gibt es keine Nachteile. Es dauert für die Chirurgen etwas länger, die minimal-invasive Technik zu erlernen. Man benötigt mehr Erfahrung, und die Materialkosten sind deutlich höher. Aber der Aufwand lohnt sich dafür, dass die postoperativen Komplikationen abnehmen. Moderne Augenzentren operieren fast alle Netzhauterkrankungen mittlerweile routinemäßig minimal-invasiv.“

Welche Fortschritte erwarten Sie im Rahmen der minimal-invasiven Netzhautchirurgie für die Zukunft?

Prof. Garweg: „Ich denke, die Entwicklung wird sich weiter in Richtung Kombinationslösungen aus medikamentöser und chirurgischer Behandlung bewegen. Was die Technik der Netzhautchirurgie betrifft, erwarte ich weitere Vereinfachungen und bimanuelle Lösungen. Durch diese Weiterentwicklungen werden sich die Belastung für Patient und Auge und die OP-Zeiten reduzieren lassen. Im Schnitt dauert eine Netzhaut-Operation heute etwa eine Stunde, bei komplexen Eingriffen allerdings auch selten einmal bis zu 3 Stunden. Jede Zeitersparnis ist willkommen und bedeutet weniger Belastung für unsere Patienten.“

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