Mit Druckdrahtmessungen unnötige Eingriffe vermeiden
Koronare Herzkrankheit
Bei verstopften Blutgefäßen des Herzens werden häufig Stents eingesetzt. Dies sind kleine Maschengitter, die den Blutfluss in dem verengten Gefäß wieder herstellen. Mit Hilfe der sogenannten Druckdrahtmessung kann abgeklärt werden, ob dieser Eingriff wirklich notwendig ist, erklärt Prof. Dr. med. Georg Fröhlich, Spezialist für Kardiologie in der HerzClinic Luzern.
Interview: Susanne Amrhein, PRIMO MEDICO
Was wird bei einer Druckdrahtmessung festgestellt?
Prof. Fröhlich: „Bei der klassischen Untersuchungsmethode, der ‚Koronarangiografie’ wird ausschließlich die Anatomie der Herzblutgefäße mittels Röntgentechnik dargestellt. Ist ein Blutgefäß hochgradig, also mehr als 90 Prozent, durch Cholesterin- und Kalkablagerungen eingeengt, so kann davon ausgegangen werden, dass der Blutfluss durch die Verengung stark reduziert ist und der Patient hier von einer Stentimplantation profitiert. Oftmals finden sich aber nur mildere Ablagerungen (Stenosen), welche das Gefäß nur zu 20 bis 70 Prozent einengen. Genau für diese Patienten wurde die Druckdrahtmessung entwickelt. Dabei wird ein kleiner Draht mit einem Blutdrucksensor an der Spitze in das erkrankte Blutgefäß vorgeschoben. Dann wird der Blutdruck unmittelbar nach der Verengung gemessen und mit dem Blutdruck vor der Ablagerung verglichen. Kommt es zu einem signifikanten Blutdruckabfall über der Stenose, so profitiert der Patient von einem Stent. Ist der Blutdruckabfall nur gering, so reichen Medikamente aus, welche das Fortschreiten der Ablagerungen verhindern sollen.“
Bei welchen Erkrankungen ist eine Druckdrahtmessung sinnvoll?
Prof. Fröhlich: „Die Druckdrahtmessung wird bei Patienten vorwiegend mit Brustschmerzen (Angina pectoris) im Rahmen einer Herzkatheteruntersuchung durchgeführt. Dabei wird zuerst immer eine anatomische Darstellung der Herzkranzgefäße erfolgen. Finden sich dabei grenzwertige Stenosen, bei denen eine Stentimplantation nur einen fragwürden Nutzen aufweisen würde, erfolgt in der gleichen Sitzung die Druckdrahtmessung und gleich im Anschluss – falls erforderlich - auch die Stentimplantation.“
Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die Behandlung des Patienten?
Prof. Fröhlich: „Durch die Druckdrahtmessung werden unnötige Stentimplantationen verhindert. Nicht jede Ablagerung in den Blutgefäßen muss durch einen Stent aufgeweitet werden. Erst ab einem Verengungsgrad zwischen 50 und 70 Prozent wird der Blutfluss zum Herzen soweit beeinträchtigt, dass der Patient von einer Stentimplantation auch wirklich profitiert. Entscheidend ist der Blutfluss und nicht so sehr die Ablagerung an sich – auch wenn es hier natürlich Wechselwirkungen gibt. Bei milderen Ablagerungen reicht oft eine medikamentöse Therapie z.B. mit Aspirin und einem Cholesterin-Senker aus. Mit einer alleinigen Koronarangiografie kann oftmals nur unzureichend abgeschätzt werden, ob der Patient wirklich von einer Stentimplantation profitiert. Dafür wurde die sogenannte „Druckdrahtmessung“ entwickelt. Nach einer Stentimplantation ist es erforderlich, für den Zeitraum von 6 bis 12 Monaten eine relativ starke Blutverdünnung vorzunehmen. Dies kann natürlich bei einigen Patienten zu Blutungskomplikationen – z.B. im Magen-Darmtrakt – führen. Stents können mit der Zeit auch wieder verengen oder es können sich auch in seltenen Fällen Blutgerinnsel im Stent bilden, die sogar einen Herzinfarkt auslösen können. Daher ist eine sorgsame Risiko-Nutzen-Abwägung so wichtig.“
Wie läuft eine Druckdrahtmessung ab?
Prof. Fröhlich: „Im Rahmen der Herzkatheteruntersuchung wird ein dünner Schlauch mit 2 bis 3mm Durchmesser von der Pulsschlagader am rechten Handgelenk bis zum Herzen vorgeschoben. Der Eingriff erfolgt in lokaler Betäubung am rechten Handgelenk und ist weitgehend schmerzfrei. Dann wird etwas Kontrastmittel direkt in die beiden Herzblutgefäße injiziert und so die Anatomie der Herzgefäße abgebildet. Diese sogenannte Koronarangiografie dauert nur ca. 10-15 Minuten. Finden sich grenzwertige Stenosen der Herzkranzarterien, kann direkt im Anschluss an die Koronarangiografie die Druckdrahtmessung erfolgen. Dabei wird ein dünner, flexibler Draht mit einem Drucksensor ins Blutgefäß bis unterhalb der Stenose vorgeschoben und die Messung vorgenommen – wie oben beschrieben wurde. Diese Prozedur dauert nur ca. 10 Minuten. Falls erforderlich, kann auch die Stentimplantation in der gleichen Sitzung erfolgen. Dies erfordert dann nochmals ca. 20 bis 40 Minuten. Zuletzt wird der Herzkatheter wieder entfernt und die Punktionsstelle am rechten Handgelenk wird mit einem Spezialverband abgedichtet, der für 4 bis 6 Stunden verbleiben muss.“
Kann eine Druckdrahtmessung Komplikationen verursachen?
Prof. Fröhlich: „Komplikationen durch die Druckdrahtmessung, wie zum Beispiel Drahtperforationen oder Gefäßverletzungen, sind äußerst selten. Es gibt unterschiedliche Techniken der Druckdrahtmessung. Als diese Technologie noch am Anfang stand, war eine Infusion des Medikaments ‚Adenosin’ erforderlich, um die Herzkranzgefäße während der Messung zu erweitern. Dieses Adenosin hat aber bei Patienten mit bestimmten Lungenerkrankungen zu Asthmaanfällen geführt. Mittlerweile werden aber vorwiegend Techniken verwendet, bei denen keine Medikamente mehr verabreicht werden müssen.“
Ist eine Druckdrahtmessung bei allen Patienten möglich oder gibt es Ausschlusskriterien?
Prof. Fröhlich: „Prinzipiell kann eine Druckdrahtmessung bei nahezu allen Patienten durchgeführt werden. Ausnahmen sind gewisse anatomische Normvarianten oder wenn chronisch verschlossene Herzkranzgefäße vorliegen. Bei diesen Patienten können die Messungen verfälscht sein und werden deshalb zumeist nicht durchgeführt.“
Wird die Druckdrahtmessung in Zukunft eine größere Rolle spielen?
Prof. Fröhlich: „Es sind bereits mehrere nicht-invasive wie auch invasive Techniken in Entwicklung, welche dann noch besser die Relevanz von Verengungen der Herzkranzgefäße einschätzen können. So werden Stents nur noch bei den Patienten eingesetzt, die auch wirklich profitieren. Oftmals werden dadurch auch invasive Herzkatheteruntersuchungen vermieden werden können, was damit das Eingriffsrisiko minimiert. Durch die Druckdrahtmessung wird einer Überversorgung mit unnötigen Stentimplantationen ja bereits entgegengewirkt.“
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