OP der Halsschlagader nur in Gefäßzentren
Carotisstenose
Verengungen der Halsschlagader können zu lebensgefährlichen Schlaganfällen führen. Falls eine Operation notwendig ist, sollte diese unbedingt von routinierten Chirurgen in Gefäßzentren ausgeführt werden, fordert Dr. med. Reza Ghotbi, Spezialist für Gefäßchirurgie und Chefarzt der Gefäßchirurgischen Klinik im Helios Klinikum München West.
Welche Erkrankungen der Halsschlagader müssen operiert werden?
Dr. Ghotbi: „Zunächst muss man sagen, dass Erkrankungen der Halsschlagader (Carotis) relativ häufig vorkommen. Bei etwa 5 Prozent der über 70-Jährigen werden Veränderungen der Carotis festgestellt. Nicht alle sind auch behandlungsbedürftig. Um die gefährlichste Folge, einen Schlaganfall, zu verhindern, reichen in vielen Fällen Medikamente. Eine Operation ist dann erforderlich, wenn die Halsschlagader zu 85 Prozent und mehr verengt ist. Oder falls mehrere der 4 versorgenden Blutgefäße zum Kopf und Gehirn von Einengungen (Stenosen) betroffen sind. Auch bei sogenannten ‚progredienten Stenosen’, deren Verengung immer weiter zunimmt, ist eine Operation angezeigt. Wenn Patienten bereits einen Schlaganfall oder eine leichte Minderdurchblutung im Gehirn, eine transitorische ischämische Attacke (TIA), erlitten haben, sollte eine möglichst bald die Engstelle operiert werden, um weitere Schlaganfälle zu verhindern.“
Wie werden Engstellen in der Halsschlagader festgestellt?
Dr. Ghotbi: „Die Carotis kann völlig schmerzlos bei einer Ultraschalluntersuchung auf Engstellen oder Veränderungen überprüft werden. Falls sich ein Verdacht ergibt, können eine Computertomograhie (CT) oder eine Kernspintomographie (MRT) zur genaueren Diagnose folgen. Im Anschluss sollte nach einer gemeinsamen Abstimmung von Neurologen, Gefäßchirurgen und Angiologen eine mögliche Behandlung erfolgen.“
Wie wird eine Verengung der Halsschlagader (Carotisstenose) operiert?
Dr. Ghotbi: „Seit 1952 haben sich chirurgische Verfahren zur Beseitigung von Engstellen der Halsschlagader bewährt. Die Techniken wurden seitdem noch deutlich verfeinert und erzielen exzellente Ergebnisse. Bei diesem Eingriff werden die Ablagerungen der Engstelle ausgeschält. Falls notwendig, können wir die Stelle mit einem Kunststoffstreifen erweitern und stabilisieren. Wir haben bei uns in der Klinik allerdings eine spezielle Nahttechnik entwickelt, die den Einsatz von Kunststoff unnötig macht. Der Eingriff erfolgt in Lokalanästhesie. Das hat den Vorteil, dass wir Komplikationen wie einen Schlaganfall während oder kurz nach der OP sofort bemerken. Bei einer Operation in Vollnarkose würden etwaige Schäden durch Schlaganfälle möglicherweise zu spät bemerkt. In Lokalanästhesie haben wir die volle neurologische Kontrolle und eine Komplikationsrate unter 0,5 Prozent.
Seit den 70er Jahren gibt es außerdem die Möglichkeit, Carotisstenosen mit Hilfe eines implantierten Stents zu behandeln. Dies ist ein Drahtgeflecht, das in die Halsschlagader eingeführt wird und sie offen hält. Allerdings sind die Ergebnisse schlechter als bei offenen Operationsverfahren. Die Gefahr, dass sich an der ehemaligen Engstelle erneut eine Stenose entwickelt, ist groß. Daher wenden wir dieses Verfahren vorwiegend bei Patienten an, für die ein offenes Verfahren nicht in Frage kommt. Das ist nach Bestrahlungen, Luftröhrenschnitten oder Infekten der Fall. Wenn der Allgemeinzustand des Patienten zu schlecht ist, ist dieses minimal-invasive Verfahren eine Alternative. Wir operieren etwa 250 Patienten pro Jahr an der Halsschlagader und im Schnitt ist nur einer dabei, der minimal-invasiv mit einem Stent versorgt wird.“
Wie unangenehm ist eine OP der Halsschlagader in lokaler Betäubung?
Dr. Ghotbi: „Wir haben hier im Gefäßzentrum ein erfahrenes Anästhesie-Team, das unsere Patienten durch den Eingriff führt. Zu bestimmten Zeiten muss der Blutdruck medikamentös erhöht, zu anderen Zeiten gesenkt werden. Wenn Patienten unruhig erscheinen bei der Vorbereitung des Eingriffs und auch während des Nähens der Wunden, können sie ein leichtes Beruhigungsmittel erhalten, so dass sie in einen leichten Schlummer fallen. Es ist noch kein Patient mit einem Trauma aus dem OP gekommen. Aber die Lokalanästhesie hat – wie gesagt – den großen Vorteil, dass wir neurologische Probleme und Komplikationen sofort bemerken und behandeln können. Außerdem ist die post-operative Phase für die Patienten nach einer Lokalanästhesie viel angenehmer und schmerzfreier als nach einer Vollnarkose.“
Wie lange müssen Patienten nach einer OP der Halsschlagader in der Klinik bleiben?
Dr. Ghotbi: „Sie kommen erst am Tag der Operation in die Klinik und bleiben während der ersten Nacht in einer speziellen Überwachungseinheit. Das ist nicht zwingend die Intensivstation. Wichtig ist, die neurologischen Funktionen engmaschig zu überwachen. Wenn Komplikationen auftreten, dann häufig während der ersten 12 Stunden nach einem Eingriff. Die folgenden 3 Tage verbringen die Patienten auf einer Normalstation. Bereits am vierten Tag nach der Operation werden sie entlassen.“
Ist ein Reha-Aufenthalt erforderlich?
Dr. Ghotbi: „Nein. Die Operation der Halsschlagader ist zwar herausfordernd. Das Operationsgebiet ist aber ähnlich oberflächlich wie bei einem Leistenbruch. Wenn keine neurologischen Ausfälle bestehen, sind Reha-Maßnahmen nicht erforderlich.“
Welchen Unterschied macht es, ob der Eingriff an der Halsschlagader in einem beliebigen Krankenhaus oder einem Gefäßzentrum erfolgt?
Dr. Ghotbi: „Carotischirurgie ist ganz klar Zentrumschirurgie. Daran gibt es nichts zu rütteln. Die Halsschlagader ist ein sensibles Operationsfeld, bei der als größtmögliche Komplikation ein Schlaganfall auftreten kann. Die Erfahrung des operierenden Gefäßchirurgen spielt eine herausragende Rolle für die Sicherheit der Patienten. Er sollte in jedem Fall 50 Carotis-OPs pro Jahr nachweisen können, seine persönliche Komplikationsrate kennen und diese auf Anfrage auch den Patienten mitteilen. Bei einem Chirurgen, der nur 10 bis 20 Halsschlagadern pro Jahr operiert, verdoppelt sich die Komplikationsrate. Nicht immer sind die reinen Zahlen der Kliniken aussagekräftig, es kommt auf die Bilanz des einzelnen Arztes an: Wenn eine Klinik mit 10 operierenden Ärzten 100 Carotisstenosen pro Jahr operiert, sind das im Zweifelsfall nur 10 pro Arzt, also viel zu wenig. Bei uns werden 90 Prozent der rund 250 Eingriffe von nur 3 Ärzten operiert, um unser Erfahrungslevel zu halten und zu garantieren. Die Qualität unserer Behandlungen ist durch die Zertifizierung als Gefäßzentrum und die regelmäßige Rezertifizierung bestätigt.“
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