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Aortenchirurgie: Ruf nach einer Zentralisierung wird lauter

Aortenchirurgie       

Eine Zentralisierung der Aortenchirurgie gewährleistet eine bestmögliche Versorgung der hochkomplexen und risikohaften Erkrankungen, sagen die Fachärzte. Aber die Hürden sind vielerorts hoch.

Susanne Amrhein, PRIMO MEDICO

Gefäßerkrankungen können lebensbedrohlich sein. Besonders, wenn sie die Hauptschlagader, die Aorta, betreffen, die in der linken Herzhälfte entspringt und das Blut in die weiteren Gefäße unseres Kreislaufs transportiert. Zu den häufigsten Erkrankungen zählen sogenannte Aneurysmen, Aussackungen der Aorta, die zum Tod führen können, wenn sie platzen. Am häufigsten findet sich das Aneurysma in der Bauchaorta, zwischen Rippenbogen und Bauchnabel. Die Eingriffe werden komplizierter, wenn weitere Schlagadern aus dem Aneurysma hervorgehen. Daher sprechen sich immer mehr führende Gefäßspezialisten für eine Zentralisierung der Aortenchirurgie aus. Zu diesen Fürsprechern gehört auch Prof. Dr. med. Jürg SchmidliChefarzt für Gefäßchirurgie am Inselspital – Universitätsspital Bern in der Schweiz. „Für einen so diffizilen Fachbereich wie die Aortenchirurgie gibt es in der Schweiz keine vorgeschriebene Qualitätssicherung. Die kürzlich eingeführten  Mindestfallzahlen von 10 behandelten Aneurysmen pro Jahr für die einzelnen Spitäler oder in einzelnen Kantonen sind zu wenig. Denn gerade bei Eingriffen an der Hauptschlagader sind eine hohe Expertise und viel Erfahrung erforderlich, um die risikoreichen Erkrankungen zu behandeln. Wir sind nicht selten mit hochkomplexen Fällen konfrontiert, wenn z.B. die Abgänge der Nieren- oder Darmschlagadern aus dem Aneurysma hervorgehen. Diese sensiblen Bauch-Organe müssen unbedingt geschützt werden, um schwerwiegende Folgen zu vermeiden.“

Vorteile von Aortenzentren

Am Inselspital operiert das Team um Prof. Schmidli pro Jahr zwischen 200 und 250 Patienten mit Aortenerkrankungen. Er betont: „Es macht keinen Sinn, wenn ein guter Gefäßchirurg z.B. in einem kleineren Spital nur wenige Patienten pro Jahr operiert. Ärzte und Pflege von Anästhesie, Intensivstation und Abteilungen können gar nicht die Erfahrungen sammeln, die notwendig sind, um einfache oder auch komplexere Fälle sicher zu operieren und zu betreuen, wenn lediglich 1 Patient pro Monat operiert wird“. Er plädiert dafür, die Expertise der Schweizer Gefäßchirurgen in kantonsübergreifenden regionalen Zentren zu bündeln. So könne die Personalausstattung des Fachbereichs verbessert und ein gegenseitiger Erfahrungsaustausch gefördert werden, was die Behandlungsqualität erhöht. Ebenfalls wichtig für die optimale Versorgung von Aortenpatienten sei die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit anderen Fachbereichen, die in die Behandlung des Patienten einbezogen werden sollten.

Welche Nachteile hätte eine Zentralisierung der Aortenchirurgie?

Dass die Patienten für einen Aorteneingriff evtl. weiter fahren müssten, sieht Prof. Schmidli nicht als Problem: „Die Nähe ist für die meisten Patienten nachrangig. Wenn sie wissen, dass ihre Erkrankung in einem weiter entfernten Zentrum sicher und nachhaltig behandelt werden kann, fahren sie auch 40 km und weiter. Es muss allerdings gewährleistet sein, dass jeder einzelne Patient in einem Aortenzentrum einen primären Ansprechpartner hat, damit er sich in so einem großen Spital nicht als anonymer Fall fühlt“. Ansonsten sei es wichtig, dass mögliche Zentren Fallzahlen und Behandlungserfolge transparent darstellen. Es ginge nicht darum, ein Monopol aufzubauen, betont Prof. Schmidli. Das verhindere allein schon die vorgeschriebene Vorhalteleistung für Notfälle. Eine Veröffentlichung der Fallzahlen, der Behandlungsergebnisse und die Festlegung von Mindestbehandlungen pro Spital helfe sowohl den zuweisenden Ärzten als auch den Patienten bei der Wahl der richtigen Behandlungsstätte.

Warum schreitet die Einrichtung von Aortenzentren nicht voran?

In der Schweiz ist das Gesundheitswesen kantonal geregelt. Die Zuweisung eines grundversicherten Patienten in ein Spital in einem anderen Kanton ist nur mit Einwilligung des Kantonsarztes möglich. Wenn dieser die Kostengutsprache ablehnt, müsste der Patient einen Teil der Kosten selber übernehmen, selbst wenn die kantonseigenen Spitäler eine ungenügende Expertise aufweisen. Genau das möchten Prof. Schmidli und andere Gefäßchirurgen ändern: „Wir möchten erreichen, dass sich mehrere Kantone ein Aortenzentrum teilen. Bei insgesamt 26 Kantonen könnten landesweit 8 bis 12 Gefäß-Zentren entstehen. Bei einer Bevölkerung von 8 Millionen würde dies eine optimale Versorgung ermöglichen“. Leider sei diese kantonsübergreifende Zusammenarbeit zurzeit politisch nicht gewünscht, bedauert Prof. Schmidli.

Nächste Schritte für eine Zentralisierung der Aortenchirurgie

Damit die Patienten und auch die zuweisenden Ärzte Qualität in der Aortenchirurgie erkennen und wählen können, sollten alle Kliniken ihre Fallzahlen offenlegen, fordert Prof. Schmidli. Außerdem sollten die Kantone dringend die vorgeschriebenen Fallzahlen pro Klinik erhöhen. Der Kanton Bern hat bereits auf 20 Fälle pro Jahr erhöht. Große Hoffnungen setzt der Gefäßspezialist in das interkantonale „Gremium für hochspezialisierte Medizin“ (HSM), das eine Zentralisierung der Aortenchirurgie empfehlen könnte. Allerdings ist dieser bundesweite Expertenrat bereits seit einiger Zeit durch einen Konflikt in der Schweizer Viszeralmedizin lahmgelegt.

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