Schmerzmanagement: Strategien für ein besseres Leben

PRIMO MEDICO Fachredaktion
Schmerzmanagement: Strategien für ein besseres Leben
Chronische Schmerzen zermürben: Wenn bestimmte Bewegungen oder Situationen immer wieder Schmerzen auslösen, ist die Lebensqualität gewaltig eingeschränkt. Besonders schwierig ist es, wenn die Ursache unklar ist oder sich nicht beseitigen lässt.
Von chronischen Schmerzen spricht man, wenn sie länger als 3 bis 6 Monate anhalten. Häufig entwickelt unser Gehirn dann ein sogenanntes “Schmerzgedächtnis”: Die betroffenen Nerven werden immer empfindlicher und leiten selbst kleinste Schmerzreize früher und schneller weiter.
Umso wichtiger ist ein gezieltes Schmerzmanagement: Es hat zum Ziel, chronische Schmerzen zu lindern und Lebensqualität zurückzugewinnen. Strategien gegen chronische Schmerzen setzen meist auf mehreren Ebenen an: Neben ärztlichen Maßnahmen beinhalten sie auch Elemente der Physio-, Psycho- und Ergotherapie.
In diesem Artikel erfahren Sie, wie Sie mit gezielten Schmerzbehandlungs- und Schmerzbewältigungstechniken Ihre Lebensqualität zurückgewinnen können.
Was versteht man unter Schmerzmanagement?
Schmerzmanagement bezeichnet alle Maßnahmen, die darauf abzielen, Schmerzen zu lindern, ihre Auswirkungen auf das Leben der Betroffenen zu reduzieren und die Lebensqualität zu verbessern. Es geht also nicht nur darum, die Schmerzen zu unterdrücken, sondern auch den Umgang mit ihnen zu erleichtern.
Schmerzmanagement umfasst verschiedene Methoden. Dazu gehören:
- Medikamentöse Therapie: Das Spektrum reicht von schmerzlindernden und entzündungshemmenden Schmerzmitteln bis hin zu Opioiden und Antidepressiva.
- Physikalische Therapie: Massagen, Physiotherapie, Wärme- oder Kältetherapie zur Muskelentspannung.
- Psychologische Ansätze: Achtsamkeit, kognitive Verhaltenstherapie oder Entspannungstechniken zur Schmerzbewältigung.
- Alternative Schmerzbehandlungs-Methoden: Akupunktur, Yoga oder Meditation
- Bewegung und Lebensstiländerung: Individuell angepasste Bewegung, gesunde Ernährung oder auch Schlafhygiene.
Wann ist eine Schmerztherapie sinnvoll?
Um chronische Schmerzen zu vermeiden, sollten akute Schmerzen von Anfang an wirksam behandelt werden. Ist dies nicht der Fall, können Schmerzen chronisch werden. Das Risiko steigt, wenn weitere Faktoren hinzukommen, wie beispielsweise
- Stress,
- psychische Belastungen oder Erkrankungen,
- Probleme im sozialen oder beruflichen Umfeld,
- lang anhaltende Einnahme von Schmerzmitteln.
Auch bestimmte Erkrankungen, wie Diabetes mellitus, erhöhen die Gefahr, dass Schmerzen chronisch werden.
Für Menschen mit chronischen Schmerzen ist eine Behandlung bei Spezialisten für Schmerztherapie sinnvoll. Zwar beschäftigt sich fast jeder medizinische Fachbereich auch mit LInderung von Schmerzen. Es gibt aber auch Ärztinnen und Ärzte mit einer Zusatzausbildung in spezieller Schmerztherapie, die individuelle Strategien gegen chronische Schmerzen entwickeln. Darüber hinaus gibt es Schmerzpraxen oder -kliniken, die sich auf die Diagnose und Therapie von chronischen Schmerzen spezialisiert haben.
Die Ursachen für chronische Schmerzen lassen sich häufig nicht so einfach und manchmal auch gar nicht ergründen. Bei mehr als der Hälfte aller Menschen mit chronischen Schmerzen dauert es mehr als zwei Jahre, bis sie eine wirksame Behandlung erhalten.
Daher ist es besonders wichtig, dass die jeweilige Ärztin oder der jeweilige Arzt über ausreichend Erfahrung mit Schmerzpatienten verfügt.
Medikamentöse vs. nicht-medikamentöse Ansätze
Bei der Behandlung chronischer Schmerzen gibt es zwei grundlegende Ansätze: medikamentöse und nicht-medikamentöse Therapien.
Medikamentöse Therapie
Medikamente wie Schmerzmittel können – wie der Name schon sagt – Schmerzen lindern. Dazu gehören beispielsweise nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) wie Ibuprofen, Diclofenac, Paracetamol, ASS oder in schweren Fällen Opioide. Auch Antidepressiva oder Antikonvulsiva (Arzneimittel bei epileptischen Anfällen) kommen manchmal zum Einsatz, da sie die Schmerzverarbeitung im Nervensystem beeinflussen.
Allerdings kann eine langfristige Medikamenteneinnahme Nebenwirkungen haben, weshalb sie sorgfältig abgewogen werden sollte. Ein dauerhafter und unkontrollierter Schmerzmittelgebrauch kann Magen-Darm-Beschwerden und auch Nierenschäden verursachen. Außerdem kann ein hoher Schmerzmittelkonsum genau das Gegenteil bewirken und die Schmerzen sogar noch verstärken.
Nicht-medikamentöse Therapie
Nicht-medikamentöse Methoden setzen an anderen Stellen an:
- Physiotherapie kann helfen, Muskeln zu entspannen und Beweglichkeit zu fördern.
- Psychologische Verfahren wie die kognitive Verhaltenstherapie unterstützen Patienten dabei, den Umgang mit Schmerzen zu verbessern.
- Auch alternative Schmerzbehandlungsmethoden wie Akupunktur, Entspannungstechniken oder gezielte Bewegungstherapien (z. B. Yoga oder Tai-Chi) zeigen in vielen Fällen positive Effekte.
Die beste Strategie ist oft ein kombinierter Ansatz: Medikamente werden nur dann und nur so lange eingesetzt, wie nötig. Gleichzeitig werden nicht-medikamentöse Behandlungsmaßnahmen angewendet. Durch eine individuelle Therapieplanung lässt sich so die Schmerzbelastung reduzieren, ohne von Medikamenten abhängig zu machen.
Was bedeutet Multimodale Schmerztherapie?
Besonders bei chronischen und starken Beschwerden kann eine multimodale Schmerztherapie hilfreich sein. Dieser Behandlungsansatz kombiniert verschiedene Methoden, um die Lebensqualität der Patientinnen und Patienten zu verbessern. Dazu gehören:
- Physiotherapie
- Ergotherapie
- Medikamente
- Psychotherapie (z. B. Methoden zur Schmerzbewältigung)
- Entspannungsverfahren
- Schulungen
- Musik- oder Kunsttherapie
Für die Planung einer multimodalen Schmerztherapie arbeiten daher verschiedene Fachrichtungen zusammen: Ärzte, Physiotherapeuten, Psychologen und Ergotherapeuten.
Eine multimodale Strategie gegen chronische Schmerzen kann beispielsweise die folgenden Elemente beinhalten:
- Medikamente bewirken eine Schmerzlinderung und reduzieren die Belastung der Betroffenen.
- Physiotherapie verbessert die Beweglichkeit und löst Verspannungen.
- Psychologische Unterstützung kann dabei helfen, mit Schmerzen anders umzugehen und negative Denkmuster zu verändern.
- Entspannungstechniken wie Meditation oder Atemübungen lindern Schmerzen, indem sie Stress abbauen, Verspannungen lösen und die Durchblutung verbessern.
- Schulungen tragen zum besseren Verständnis der eigenen Erkrankung bei.
Dieses Behandlungskonzept wird häufig bei Rückenschmerzen, Fibromyalgie oder chronischen Kopfschmerzen eingesetzt. Das Ziel der multimodalen Schmerztherapie ist nicht nur, Schmerzen zu reduzieren, sondern auch die Selbstwirksamkeit der Patientinnen und Patienten zu stärken: Sie lernen, wie sie ihren Alltag trotz chronischer Schmerzen aktiv und lebenswert gestalten können.
Schmerzfrei durch Physiotherapie: Methoden und Wirkung
Viele Menschen verzichten auf körperliche Aktivitäten, wenn sie Schmerzen haben – meist aus Angst, dass die Beschwerden dadurch stärker werden. Dabei ist häufig das Gegenteil der Fall: Studien belegen, dass Bewegung und leichter Sport, wie beispielsweise Spazierengehen, Walking oder Radfahren, dem Körper guttun und Schmerzen lindern können. Gleichzeitig werden Ängste abgebaut und die Gefahr der Schmerzverstärkung verringert.
Physiotherapie und Bewegung sind daher wichtige Aspekte des Schmerzmanagements. Dabei kommen verschiedene Techniken zum Einsatz:
1. Bewegungstherapie:
- Kräftigungs- und Dehnübungen verbessern die Muskulatur und entlasten Gelenke.
- Haltungs- und Koordinationstraining hilft, Fehlbelastungen zu vermeiden.
- Bewegung fördert die Durchblutung, produziert entzündungshemmende Botenstoffe, unterstützt Heilungsprozesse und beeinflusst das mentale Wohlbefinden.
2. Manuelle Therapie und Massagen
- Manuelle Therapie mobilisiert Gelenke und lockert verspannte Muskeln.
- Massagen lösen Muskelverhärtungen und fördern die Durchblutung.
- Faszientherapie hilft, Verklebungen im Bindegewebe zu lösen.
3. Physikalische Therapie
- Wärme- und/oder Kälteanwendungen entspannen oder betäuben schmerzende Bereiche.
- Ultraschalltherapie regt die Geweberegeneration an.
- Elektrotherapie kann Nerven stimulieren und Schmerzen reduzieren.
Physiotherapie hilft also nicht nur durch Bewegung, sondern auch durch Anwendungen wie Massagen und physikalische Reize. Sie wird in der Regel ärztlich verordnet. Wer unsicher ist, wie viel Bewegung hilfreich ist oder welches Training geeignet ist, kann sich an seine Arztpraxis oder Personen wenden, die einem Bewegungs-Fachberuf angehören. Auskunft und Tipps geben auch die Krankenversicherungen.
Psychologische Schmerzbewältigung – Hilfe für den Alltag
Chronische Schmerzen sind nicht nur eine körperliche, sondern auch eine mentale Herausforderung. Psychologische Schmerzbewältigungs-Techniken helfen Betroffenen, besser mit ihren Beschwerden umzugehen und die Kontrolle über den eigenen Alltag zurückzuerlangen. Gespräche mit Psychologen oder Schmerztherapeuten können dabei helfen, die passenden Strategien zu finden.
Bewährte Ansätze zur psychologischen Schmerzbewältigung sind:
- Kognitive Verhaltenstherapie (KVT): Sie hilft, negative Gedankenmuster zu erkennen und durch hilfreiche Überzeugungen zu ersetzen.
- Entspannungstechniken wie Progressive Muskelentspannung oder Achtsamkeitsübungen können die Schmerzintensität senken.
- Durch aktive Schmerzbewältigungsstrategien lernen Patientinnen und Patienten, ihr Schmerzempfinden durch Ablenkung, Bewegung oder gezieltes Atmen zu beeinflussen.
Das Ziel der psychologischen Techniken ist in der Regel nicht, den Schmerz zu beseitigen, sondern den Umgang mit dem Schmerz erträglicher zu gestalten. Wer es schafft, sich weniger auf seine Beschwerden zu fokussieren, gewinnt Lebensqualität zurück.
Lebensstiländerung zur Schmerzlinderung
Auch eine gesunde Lebensweise kann chronische Schmerzen positiv beeinflussen und die Lebensqualität verbessern:
- Bewegung ist ein zentraler Faktor: Regelmäßige, sanfte Aktivitäten wie Spazierengehen, Fahrradfahren, Schwimmen oder Yoga reduzieren Schmerzen, indem sie die Muskulatur geschmeidig halten und die Durchblutung fördern.
- Ernährung spielt ebenfalls eine Rolle: Eine entzündungshemmende Kost mit viel Gemüse, gesunden Fetten und wenig Zucker kann nachweislich Schmerzen lindern.
- Genügend Schlaf ist ebenfalls wichtig: Schlechter Schlafkann das Schmerzgefühl verstärken.
- Stressabbau hilft, da Stress die Schmerzempfindlichkeit erhöht. Meditation, Atemübungen oder Achtsamkeitstraining können dazu beitragen, Stress abzubauen und die Empfindlichkeit gegenüber Schmerzen zu senken.
Sie werden sich wundern: Selbst kleinste Veränderungen im Alltag, wie regelmäßige Pausen und Bewegung, eine gesunde Ernährung oder eine bessere Körperhaltung, können langfristig viel bewirken. Natürlich ist eine Lebensstiländerung ein andauernder Prozess, der Geduld erfordert. Allerdings berichten viele Patientinnen und Patienten von einer spürbaren Verbesserung ihrer Schmerzen – auch ohne Medikamente.
Fazit: Aktives Schmerzmanagement ermöglicht ein besseres Leben
Wenn Schmerzen den Alltag bestimmen, gilt es vor allem, die Kontrolle zurückzugewinnen: über den eigenen Körper, das eigene Empfinden und die Alltagsgestaltung. Ein aktives Schmerzmanagement führt betroffene Menschen Schritt für Schritt aus der lähmenden Hilflosigkeit. Die Unterstützung und Therapieplanung durch Spezialisten für Schmerztherapie eröffnen zahlreiche Möglichkeiten, mit denen Sie chronische Schmerzen lindern und einen Umgang erlernen können, der Schmerzen für Sie erträglicher macht.
Lebensqualität ist auch mit anhaltenden Schmerzen möglich – wagen Sie also gleich den ersten Schritt.
Quellen:
- Chronische Schmerzen, gesundl.bund.de, https://gesund.bund.de/chronische-schmerzen#definition
- Herausforderung Schmerz, Deutsche Schmerzgesellschaft e. V.,- https://www.schmerzgesellschaft.de/patienteninformationen/herausforderung-schmerz
- Ist körperliche Bewegung eine wirksame Therapie zur Behandlung lang anhaltender Kreuzschmerzen? Hayden JA, Ellis J, Ogilvie R, Malmivaara A, van Tulder MW. Exercise therapy for chronic low back pain. Cochrane Database of Systematic Reviews 2021, Issue 9. Art. No.: CD009790. DOI: 10.1002/14651858.CD009790.pub2. - https://www.cochrane.org/de/CD009790/BACK_korperliche-bewegung-zur-behandlung-chronischer-kreuzschmerzen#:~:text=K%C3%B6rperliche%20Bewegung%20ist%20m%C3%B6glicherweise%20wirksamer,angewandte%20kurz%2D%20und%20mittelfristige%20Behandlungen.
- Von wegen schonen: Bei den meisten Schmerzen hilft Bewegung, AOK, https://www.aok.de/pk/magazin/sport/fitness/bei-schmerzen-in-bewegung-bleiben-das-ist-dran/