Schonend versorgt dank Mitraclip
Mitralklappeninsuffizienz
Bei einer Undichtigkeit der Mitralklappe können Patienten mit erhöhtem Operationsrisiko minimal-invasiv mit einem sogenannten Mitraclip versorgt werden, erklärt Prof. Dr. med. Hüseyin Ince, Spezialist für Kardiologie und Leiter des Departments Kardiologie im Vivantes Klinikum im Friedrichshain und Am Urban in Berlin sowie Sprecher des universitären Herzzentrums Rostock.
Interview: Susanne Amrhein, PRIMO MEDICO
Welche Erkrankungen der Mitralklappe erfordern einen chirurgischen Eingriff?
Prof. Ince: „Bei leicht- und mittelgradigen Undichtigkeiten (Insuffizienzen) der Mitralklappe kann eine medikamentöse Therapie ausreichen. Bei schwergradigen symptomatischen Mitralklappeninsuffizienzen muss eine chirurgische Versorgung erfolgen. Grundsätzlich unterscheiden wir bei dieser Erkrankung zwischen zwei Ausprägungen: Bei einer primären Mitralklappeninsuffizienz sind die Klappe selbst bzw. ihre Haltevorrichtung defekt. Bei einer sekundären Mitralklappeninsuffizienz besteht ein Missverhältnis zwischen Mitralklappe und linkem Ventrikel (Vorhof), das ebenfalls zu einem unvollständigen Klappenschluss führt. Für die Versorgung dieser Defekte ist eine Operation der Goldstandard. Für den Fall, dass Patienten ein erhöhtes OP-Risiko aufweisen, z.B. eine eingeschränkte Herzfunktion o.ä., und die anatomischen Voraussetzungen stimmen, können wir diese Patienten minimal-invasiv per Katheter mit einem sogenannten Mitraclip versorgen. Dieser bewirkt, dass die Klappe wieder ausreichend schließt.“
Welche Symptome verursachen Mitralklappeninsuffizienzen?
Prof. Ince: „Bei jedem Herzschlag wird Blut in den Organkreislauf gepumpt. Die Mitralklappe verhindert, dass das Blut zurück in den linken Vorhof fließt. Bei einer Undichtigkeit der Mitralklappe findet also ein unerwünschter Rückfluss des Blutes in den linken Vorhof statt. Dies führt häufig zu einer sogenannten Belastungs-Luftnot, also Atembeschwerden bei körperlichen Anstrengungen.“
Welche anatomischen Voraussetzungen müssen für einen Mitraclip erfüllt sein?
Prof. Ince: „ Das biologische Alter der Patienten ist nicht entscheidend, ob sie oder er für den Eingriff qualifiziert ist. Hier kommt es vielmehr auf die Lebensqualität an, auf die Frage, ob der Patient oder die Patientin von dem Eingriff profitiert. Es gibt mittlerweile kaum noch absolute Ausschlusskriterien für eine Therapie per Mitraclip. Bei aktiven Entzündungen der Mitralklappe muss ein chirurgischer Eingriff bei hochgradiger Mitralklappeninsuffizienz erfolgen. Schwierig ist auch eine zu kleine Öffnungsfläche der Mitralklappe, bei der eine Stenose droht und nicht genug Blut durch die eingeengte Herzklappe fließen kann. Angeborene große Defekte in der Vorhofscheidewand sind auch zu berücksichtigen. Man muss allerdings sagen: Je erfahrener die Operateure und das Zentrum sind, desto erfolgreicher sind die Ergebnisse auch bei komplexeren Anatomien.“
Warum wird die Mitralklappe nicht einfach ersetzt, wie dies häufig bei Aortenklappenerkrankungen der Fall ist?
Prof. Ince: „Bei einer primären Mitralklappeninsuffizienz, bei der die Mitralklappe selbst erkrankt ist, wird in vielen Fällen zunächst eine minimal-invasive Rekonstruktion in Erwägung gezogen. Dies ist z.B. bei einem abgerissenen Sehnenfaden der Fall, der durch einen Kunstfaden ersetzt werden kann. Parallel dazu kann bei Bedarf ein Ring eingesetzt werden, um den erweiterten Mitralring zu stabilisieren. Nur bei ausgeprägten Verkalkungen und falls eine Rekonstruktion der Mitralklappe nicht möglich ist, erfolgt ein chirurgischer Ersatz der Mitralklappe. Ist der Patient jedoch anatomisch geeignet und weist ein hohes Operationsrisiko auf, kann eine Versorgung mit einem Mitraclip Abhilfe schaffen. Bei einer sekundären Mitralklappeninsuffizienz ist es ähnlich: Wenn die Mitralklappe nicht mehr richtig schließt, eine Rekonstruktion bzw. ein Ersatz aufgrund des hohen Operationsrisikos nicht möglich sind, kann auch hier minimal-invasiv ein Mitraclip eingesetzt werden um die Herzfunktion zu stabilisieren.“
Ist nach dem Einsetzen eines Mitraclip ein Reha-Aufenthalt notwendig?
Prof. Ince: „Nach einem Herzklappeneingriff ist ein Reha-Aufenthalt generell empfehlenswert. Durch die schonende, minimal-invasive Operation können die Patienten bereits nach einer Woche mit der körperlichen Rehabilitation beginnen, bzw. auf Wunsch auch nach Hause zurückkehren. Die Patienten werden bei uns in einem modernen Hybrid-Katheterlabor mit dem Mitraclip versorgt, bleiben einen Tag zur Beobachtung auf der Intensivstation und wechseln dann bei komplikationslosem Verlauf bereits auf die normale Station.“
Kann nach Einsetzen eines Mitraclips erneut eine Mitralklappeninsuffizienz auftreten?
Prof. Ince: „Die Erfolgsrate der Mitraclip-Versorgung liegt bei 98 Prozent. Aber selbst wenn der Eingriff erfolgreich verlaufen ist, kann auch ein Mitraclip nicht bei jedem Patienten die Insuffizienz auf Null therapieren. Es bleibt zum Teil eine geringe Rest-Insuffizienz. Diese kann im Laufe der Jahre stabil bleiben, aber auch wieder stärker werden und ist von der individuellen Situation der Patienten abhängig. Sollte erneut eine behandlungsbedürftige Insuffizienz der Mitralklappe auftreten, ist es in Abhängigkeit der Anatomie möglich, eine zweite Mitraclip-Prozedur durchzuführen oder den Defekt mit erhöhtem OP-Risiko chirurgisch zu versorgen. Diese dann sehr komplexen Entscheidungen treffen wir immer gemeinsam mit den Patienten und unseren herzchirurgischen Partnern im Herz-Team. Innovative interventionelle Mitralklappentherapien sind in Erprobung, einige auch schon zugelassen, so dass wir hier in Zukunft unseren anvertrauten Patienten und Patientinnen für komplexe Fragestellungen weitere Optionen anbieten können.“
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