Sichere Operationen bei Erkrankungen der Aorta
Aortenchirurgie
Veränderungen in der Hauptschlagader oder der Aortenklappen bleiben häufig über einen längeren Zeitraum unentdeckt, können aber lebensgefährlich sein.
Susanne Amrhein, PRIMO MEDICO
Es ist eine versteckte Gefahr: Zu den häufigsten Erkrankungen der Aorta zählen das Aortenaneurysma, eine Aussackung der Hauptschlagader, sowie die Aortendissektion, bei der sich in der Aortenwand Einrisse bilden. Beide Erkrankungen verlaufen nicht selten über einen längeren Zeitraum hinweg ohne jegliche Symptome für die Betroffenen, können aber lebensbedrohliche Situationen auslösen, erklärt Univ.-Prof. Dr. med. Christian-Friedrich Vahl, Spezialist für Kardiochirurgie und Direktor der Klinik und Poliklinik für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie in Mainz. „Bei beiden Krankheitsbildern geht es in erster Linie darum, ein Platzen der Aorta zu verhindern. Gleichzeitig müssen Organschäden aller von der Aorta versorgten Organe verhindert oder behoben werden. Durch ein Platzen oder einen Riss der Aorta kommt es zu starken Blutungen. Dabei können zudem abgelagerter Kalk oder Thromben in andere, kleinere Gefäße gelangen und diese verschließen. Daraus können sich gefährliche Komplikationen wie ein Herzinfarkt, Schlaganfall, eine Querschnittslähmung oder ein Leber-, Milz, Darm- oder Niereninfarkt entwickeln.“ Vor wenigen Monaten wurde in der Universitätsmedizin Mainz die erste Aorteneinheit („Aortic Unit“) Europas in Betrieb genommen, um Patienten mit Aortenerkrankungen mit einem spezialisierten und interdisziplinären Team bestmöglich versorgen zu können.
Offene und kathetergestützte Aorten-OP
Erkrankungen der Aorta werden häufig im Rahmen von anderen Untersuchungen entdeckt, zunächst als Nebenbefund. Sie sind sowohl auf Ultraschallbildern, als auch in der Bildgebung bei einer Computertomographie oder Kernspintomographie erkennbar. Nicht jedes Aneurysma muss sofort operiert werden. In Frühstadien reicht häufig eine regelmäßige Kontrolle. Ist das Aneurysma oder die chronische Aortendissektion behandlungs-bedürftig, muss für jeden Patienten individuell entschieden werden, mit welchem Operationsverfahren der erkrankte Bereich der Aorta durch eine Prothese ersetzt oder von innen abgestützt wird, so Prof. Vahl: „Im Bereich der aufsteigenden Aorta und des Aortenbogens wird heute die offene Chirurgie meistens vorgezogen. Im Bereich der absteigenden Aorta empfiehlt sich oft die minimalinvasive, kathetergestützte Therapie. In manchen Fällen können auch sogenannte Hybrid-Verfahren, also die Kombination von offener und endovaskulärer Therapie die besten Resultate ergeben. Wichtig ist, dass die Entscheidung von einem eingespielten Team getroffen wird, das mit beiden Operationsverfahren vertraut ist.“
Möglichst ohne Herz-Lungen-Maschine operieren
Bei Aortenaneurysmen oder Dissektionen, die im Bereich der herznahen, aufsteigenden Aorta liegen, kann der geplante Eingriff durch eine sogenannte partielle Sternotomie erfolgen. Dabei wird lediglich der obere Teil des Brustbeins durchtrennt. Über diesen kleinen Schnitt kann dann der aufsteigende Teil der Aorta unter Verwendung der Herz-Lungen-Maschine ersetzt oder in Einzelfällen die Aorta mit einer Kunststoffmanschette ummantelt und gesichert werden. Im Bereich der absteigenden Aorta erfolgt der Eingriff meist endovaskulär per Katheter, der durch die Leistenarterie eingeführt wird. Bei diesem Eingriff ist das chirurgische Trauma am geringsten, so Spezialist Vahl. „Wir versuchen, wann immer möglich, dem Patienten die Herz-Lungen-Maschine zu ersparen. Durch die Fremdoberflächen, mit denen das Blut in Kontakt kommt, entsteht immer eine Entzündungsreaktion des gesamten Körpers. Ähnlich wie bei einem Wespenstich, bei dem eine Schwellung durch das Austreten von Wasser aus den Blutgefäßen in das Gewebe entsteht, kann es durch den Einsatz der Herz-Lungen-Maschine ebenfalls zum Austritt von Wasser ins Gewebe kommen und somit zu einer Funktionsstörung der verschiedenen Organsysteme. Abhängig von ihren Vor- und Nebenerkrankungen können Patienten dies unterschiedlich gut vertragen.“ Allerdings gebe es auch gute Gründe für den Einsatz der Herz-Lungen-Maschine. Bei einer offenen Operation mit Herz-Lungen-Maschine können Prothesen angenäht und dadurch sicher an der Aortenwand befestigt werden. Bei endovaskulären Eingriffen werden die Prothesen lediglich an die Gefäßwand angedrückt, um dort zu halten.
Kathetergestützte Aortenklappen-Operationen auf dem Vormarsch
Bei Eingriffen an der Aortenklappe, z.B. aufgrund einer Aortenklappenstenose (Einengung) oder einer Aortenklappenundichtigkeit, wird dagegen immer häufiger kathetergestützt operiert. „Dabei wird die in einem Metallgerüst zusammengepresste Prothese durch Punktion der Leistenarterie eingeführt und mittels eines Drahtes über die Engstelle der Aortenklappe positioniert. Durch das Aufblasen eines Ballons wird die alte, verkalkte Klappe nach außen verdrängt. Das Metallgerüst, in dem die Taschen der neuen Klappenprothese aufgehängt sind, entfaltet sich, und das Metallgerüst verankert sich an dem alten Klappenring“, erläutert Prof. Vahl. Bei diesem Eingriff ist der Einsatz der Herz-Lungen-Maschine nicht notwendig. Um die Klappe in der erwünschten Position zu fixieren, wird das Herz kurzzeitig durch einen vorübergehend eingebrachten Schrittmacher stimuliert. Dank dieser Methode können auch ältere und vorerkrankte Patienten behandelt werden, für die eine offene Operation zu belastend und risikoreich wäre.
Rascher Rückgewinn an Lebensqualität
„Bei offenen Eingriffen gilt die Faustregel: 80 Prozent der Leistungsfähigkeit nach einem Monat, 90 Prozent nach zwei Monaten und nach drei Monaten sollten die Patienten wieder voll belastbar sein“, so der Chirurg. Für einige Patienten empfiehlt sich ein Reha-Aufenthalt. Prof. Vahl ist sicher, dass sich der Trend zur patientenschonenden, endovaskulären Chirurgie fortsetzen wird. Bei den kathetergestützten Aorteneingriffen fühlen sich die Patienten meist schon innerhalb einer Woche wieder normal belastungsfähig.
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