Wenn plötzlich der linke Unterbauch schmerzt
Sigmadivertikulitis
Bei vielen älteren Menschen ab 70 Jahren bilden sich Darmdivertikel, Ausstülpungen der Darmschleimhaut. In den meisten Fällen verursachen diese keine Beschwerden. Falls sie sich aber entzünden, können sie heftige Schmerzen, Fieber und sogar einen Darmdurchbruch auslösen. Dr. med. Erich Bielesch ist Spezialist für Kolorektalchirurgie am Helios Klinikum München West. Er beantwortet die wichtigsten Fragen zur Divertikulitis.
Interview: Susanne Amrhein
Wie entsteht eine Divertikulitis?
Dr. Bielesch: „Warum Divertikel im Darm entstehen und warum sich einige entzünden, ist letztlich noch nicht bis ins Detail geklärt, Essgewohnheiten und körperliche Aktivität scheinen eine Rolle zu spielen. Obwohl viele Menschen ab einem Alter von 70 Jahren Divertikel entwickeln, verursachen diese nur bei etwa 20 Prozent der Betroffenen Beschwerden. Divertikulitis ist übrigens keine reine Alterserkrankung. Wir haben gerade in den vergangenen Jahren eine starke Zunahme der schweren Divertikulitis mit Perforationen bei jungen Patienten zwischen 35 und 40 Jahren beobachtet.“
Welche Symptome löst eine Divertikulitis aus?
Dr. Bielesch: „Typisch sind linksseitige Unterbauchschmerzen. Dort befindet sich die sog. Hochdruckzone im S-förmig und häufig sehr kurvig verlaufenden Sigma. Die Schmerzen können in einigen Fällen aber auch auf der rechten Bauchseite auftreten, wenn der Sigmadarm mit einer großen Schleife bis in den rechten Unterbauch reicht. Oder die Schmerzen treten in Unterbauchmitte über der Blase auf und sind durch eine entzündliche Verklebung eines schwer entzündeten Divertikels an der Blase verursacht. Dies kann die Diagnose erschweren und in die Irre führen. Einige Betroffene leiden aufgrund der Entzündung unter Fieber.“
Wie kann eine Sigmadivertikulits behandelt werden?
Dr. Bielesch: „Am Allerwichtigsten ist zunächst eine korrekte Diagnose. Dazu ist eine Computertomografie (CT) mit Kontrastmittel notwendig, ein Ultraschall ist häufig nicht ausreichend, um die genaue Einschätzung der Entzündungsschwere zu beurteilen.
Die CT-Bildgebung zeigt die Beschaffenheit der Darmwand, das Ausmaß der Divertikel, Eiteransammlungen und auch eine evt. bereits erfolgte Perforation. Eine Darmspiegelung sollte erst vorgenommen werden, wenn keine Entzündung mehr vorliegt. Wenn wir eine Entzündungsreaktion feststellen, hilft bereits die Gabe von Antibiotika, eine Trinkkur und viel Ruhe, um die Divertikulitis abklingen zu lassen. Sofern eine Perforation erfolgt ist, ein lokal begrenzter Darmdurchbruch, wird die Entzündung ebenfalls durch Antibiotika kontrolliert und der Abzess ggf. drainiert oder punktiert, um ein weiteres Austreten von Eiter oder Darminhalt in den Bauchraum zu verhindern. Nach Abklingen der Entzündung sollte der perforierte Bereich in einer Operation saniert werden um ein Wiederauftreten zu verhindern . Bei einem echten Darmdurchbruch, egal ob dieser durch andere Organe gedeckt ist oder nicht, muss sofort eine Notoperation erfolgen. Die wichtigste Frage ist daher immer, ob es möglich ist, die Divertikulititis zunächst mit einer Antibiotikatherapie zum Abheilen zu bringen oder ob sofort operiert werden muss.“
Wie belastend ist eine Divertikulitis – Operation?
Dr. Bielesch: „Es ist ein standardisierter Eingriff, den wir hier im Darmzentrum mehrfach pro Woche ausführen. Aber die Divertikulitis-OP darf auch nicht verharmlost werden: Es ist ein großer Eingriff, der zwischen zwei und drei Stunden dauert. Wir operieren grundsätzlich patientenschonend und minimalinvasiv in der sogenannten Schlüssellochtechnik. Die Patienten genesen sehr schnell und können in der Regel nach sechs oder sieben Tagen entlassen werden. Komplikationen sind zum Glück äußerst selten. Im schlimmsten Fall kann es vorkommen, dass eine neu angelegte Darmverbindung nicht heilt und Undichtigkeiten entstehen. Dies muss dann natürlich erneut operativ korrigiert werden. In einigen Fällen ist es notwendig, vorübergehend einen künstlichen Darmausgang anzulegen.“
Wie gut sind die Heilungschancen bei einer Sigmadivertikulitis?
Dr. Bielesch: „Insgesamt sind die Heilungchancen sehr gut. Gerade wenn der entzündete Abschnitt entfernt wurde, sehen wir sehr selten Patienten mit einer wiederkehrenden Divertikulitis. Die Rezidivrate liegt unter 5 Prozent.“
Wie kann man einer Divertikulitis vorbeugen?
Dr. Bielesch: „Die beste Vorsorge besteht darin, viel zu trinken, wenig Fleisch, dafür aber viel Ballaststoffe zu essen und sich möglichst viel zu bewegen. Der Rest ist Prädisposition und Schicksal.“
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