Thrombose-Risiko nicht unterschätzen
PRIMO MEDICO Fachredaktion
Lungenembolie
Jedes Jahr sterben in Deutschland etwa 40.000 Menschen an einer Lungenembolie, die durch Blutgerinnsel ausgelöst wurde. Die Thrombose-Gefahr zu senken ist vergleichsweise einfach, sagt Dr. med. Clemens Fahrig, Spezialist für Angiologie sowie Leiter des Gefäßzentrums Berlin-Brandenburg und Chefarzt der Klinik für Innere Medizin und Angiologie im Evangelischen Krankenhaus Hubertus in Berlin.
Interview: Susanne Amrhein, PRIMO MEDICO
Welche Ursachen führen zur Bildung von Blutgerinnseln?
Dr. Fahrig: „Die Gefahr einer venösen Thrombose ist in der Medizin seit 150 Jahren bekannt. Dabei ist der Blutabfluss in den Venen durch mechanische Einschränkungen beeinträchtigt. Dies kann aufgrund von Gipsbehandlungen, Tumorerkrankungen oder Einengung der Blutgefäße durch langes Sitzen oder zu enge Kleidung der Fall sein. Auch Veränderungen der Blutzusammensetzung, zum Beispiel durch starkes Schwitzen im heißen Sommer, durch Medikamente, Tumorerkrankungen oder entzündliche Prozesse im Körper können Auslöser sein. Nicht zuletzt kann es auch durch Gefäßwandverletzungen bei Operationen, Kathetereinsätzen oder Bestrahlung zur Bildung von Blutgerinnseln kommen.“
Gibt es Bevölkerungsgruppen, die besonders Thrombose-gefährdet sind?
Dr. Fahrig: „Es gibt drei große Risikogruppen: Dazu gehören Tumorpatienten, Schwangere und alle Patienten, die Entwässerungsmedikamente einnehmen, die das Blut eindicken.“
Wie groß ist das Risiko, eine Thrombose zu bekommen?
Dr. Fahrig: „Viele Blutpfropfen lösen sich von selbst wieder auf, so dass wir über keine verlässlichen Zahlen verfügen. Studien gehen davon aus, dass pro Jahr eine von tausend Personen einen tiefe Venenthrombose entwickelt, die Beschwerden verursacht.“
Was sind typische Stellen, an denen sich Thrombosen bilden?
Dr. Fahrig: „Das sind vor allem die tiefen Beinvenen. Seltener sind die Armvenen betroffen. An den Armen sind es vor allem Punktionen, z.B. beim Blutabnehmen, die zu Thrombosen oder Venenentzündungen führen können.“
Welche Symptome spüren Betroffene bei einer Thrombose?
Dr.Fahrig: „Die meisten Menschen spüren gar nichts und haben dann entweder Glück und das Blutgerinnsel richtet keinen Schaden an oder sie fallen im schlimmsten Fall plötzlich tot um. Falls Symptome auftreten, sind es häufig eine schmerzlose Schwellung, weil das Blut nicht ablaufen kann, oder ein diffuses Schwere- oder Druckgefühl.“
Wie gefährlich ist eine Thrombose?
Dr. Fahrig: „Die Bildung eines Blutgerinnsels ist immer gefährlich! Wenn der Thrombus durch den Kreislauf in die Lunge gespült wird kann er dort eine lebensbedrohliche Lungenembolie auslösen, indem er ein Blutgefäß verstopft, den Blutfluss zwischen Herz und Lunge lahmlegt und zu einer Überlastung des Herzens oder auch einem Herzversagen führen kann. Falls das Blutgerinnsel z.B. durch ein Loch in der Herzkammer in das arterielle System gelangt, droht ein Schlaganfall.“
Wie kann eine Thrombose diagnostiziert werden?
Dr. Fahrig: „Das ist leicht, schnell und völlig schmerzlos per Ultraschall möglich. Falls hier keine Auffälligkeit entdeckt wird, kann zum Ausschluss einer Thrombose noch ein Blutwert bestimmt werden. Das Messen der D-Dimere im Blut gibt Aufschluss darüber, ob sich Fibrinfäden im Körper befinden, die beim Abbau von Blutgerinnseln übrigbleiben. Ist der Wert negativ, kann eine Thrombose ausgeschlossen werden.“
Wie wird eine Thrombose behandelt?
Dr.Fahrig: „Bei 99 Prozent der Beinvenenthrombosen reicht es aus, wenn die Patienten Blutverdünner einnehmen und Kompressionsstrümpfe tragen. Nur bei isolierten Blutpfropfen im Becken wird eine Operation in Erwägung gezogen. Eine Operation an den Beinvenen würde durch die dabei entstehenden Gefäßverletzungen nur das Risiko neuer Thrombosen erhöhen. Bei geschwollenen Beinen kann neuerdings ein Stent in die Beckenvene eingesetzt werden, um einen ungestörten Blutabfluss zu ermöglichen. Dies wird allerdings selten und nur in Ausnahmefällen vorgenommen.“
Können Thrombosen mehrfach auftreten?
Dr.Fahrig: „Die Gefahr von Rezidiven ist leider sehr groß. Wenn sich eine Thrombose in einer Beinvene gebildet hat, ist die Gefäßwand an dieser Stelle aufgeraut, so dass sich dort häufig erneut Blutgerinnsel festsetzen. Wer bereits einmal eine Thrombose erlitten hat und keine blutverdünnenden Medikamente einnimmt, sollte unbedingt bei den geringsten Symptomen einen Arzt aufsuchen. Das gleiche gilt für Patienten, in deren näherem familiären Umfeld Thrombosen auftreten sind. Leider handelt es sich um einen vererbbaren Risikofaktor.“
Kann man das Thrombosen Risiko senken?
Dr.Fahrig: „Für den Alltag gibt es drei wichtige Ratschläge, die sich leicht befolgen lassen.
- Wichtig ist vor allem ausreichende Bewegung. Wer z.B. im Beruf viel sitzen muss, kann am Schreibtisch immer mal von den Zehenspitzen auf die Ferse wippen. Durch diese Pumpbewegung bleibt das Blut nicht stehen.
- Wer bereits eine Thrombose hatte und keine Blutverdünnung einnimmt, sollte Kompressionsstrümpfe für die Unterschenkel tragen. Das müssen keine teuren Maßanfertigungen aus dem Sanitätshaus sein, sondern es reichen einfache Stützstrümpfe aus dem Drogeriemarkt. Vor allem im Sommer sollte man außerdem darauf achten, ausreichend zu trinken.
- Falls lange Flugreisen oder Bettruhe anstehen, können prophylaktisch blutverdünnende Medikamente verordnet werden. Hilfreich ist außerdem, bequeme Kleidung zu tragen, die die Leiste nicht einengt.“
Welche neuen Erkenntnisse gibt es in Bezug auf die Behandlung von Thrombosen?
Dr.Fahrig: „Im Rahmen dieser Erkrankung wird sehr viel geforscht und wir haben in den vergangenen fünf Jahren viel dazu gelernt. Dies hat u.a. dazu geführt, dass neue und moderne blutverdünnende Medikamente entwickelt wurden, um Thrombosen und ihre gefährlichen Auswirkungen zu verhindern.“
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