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Was ist ein Lymphödem?
Das Lymphödem ist eine chronisch entzündliche Erkrankung des Bindegewebes, als Folge einer anlagebedingten oder erworbenen Schädigung des Lymphdrainagesystems. Es handelt sich dabei um eine Weichteilschwellung, aufgrund einer mechanischen Abflussstörung des Lymphgefäßsystems. Zumeist sind Arme oder Beine mit der oft schmerzlosen Extremitäten-Schwellung betroffen.
Alle Zellen des Körpers sind von einer Flüssigkeit umgeben. Über diese Flüssigkeit werden alle benötigen Nährstoffe, der Sauerstoff, besondere Botenstoffe an die Zellen herangebracht und wieder abtransportiert. Dieser Raum, in dem die Zellen sich befinden und von Flüssigkeit umgeben sind, nennt man Bindegewebe (Interstitium). Unter physiologischen Bedingungen herrscht im Bindegewebe ein Gleichgewicht zwischen der durch die Blutgefäßwände (Arterien) hindurchtretenden Flüssigkeit (=lymphpflichtige Last) und deren Abtransport aus dem Bindegewebe über die Lymphgefäße und den Venen. Dieser Stoffwechsel dient der Ver- und Entsorgung der Zellen in den unterschiedlichen Geweben im menschlichen Körper.
Ein geschädigtes oder gestörtes Lymphdrainagesystem führt zur dauerhaften Vermehrung und Veränderung der Gewebsflüssigkeit und zum Lymphödem.
Welche Ursachen hat ein Lymphödem?
Grundsätzlich können zwei Formen von Lymphödemen unterschieden werden, das primäre und das sekundäre Lymphödem. In etwa 90% der Fälle handelt es sich um ein sekundäres Lymphödem.
Das sekundäre Lymphödem hat viele Ursachen. In erster Linie zählen dazu die Entfernung der axillären Lymphknoten nach Mammakarzinom, aber ebenso die Entfernung der Lymphknoten im kleinen Becken, der Leisten oder im Bereich der Becken-/Bauchaorta, sowie die Entfernung der Halslymphknoten nach Krebserkrankungen an der Schilddrüse oder im HNO-Bereich.
Entzündungen der Haut oder nach einer großen Weichteilverletzung (=posttraumatisches Lymphödem), oder eine selbst zugefügte Weichteilschädigung (artifizielles Lymphödem) können ebenfalls zu Schwellungen an Beinen und Armen führen. Erkrankungen der Venen (Varikose) kann längerfristig unbehandelt zu Störungen des Lymphabflusses und somit zu einem Lymphödem führen. Unbehandelt ist das Lymphödem eine progrediente, chronifizierende Erkrankung.
Das primäre Lymphödem entsteht aufgrund genetisch bedingter Entwicklungsstörungen der Lymphgefäße oder der Lymphknoten. Es tritt entweder gleich bei der Geburt auf oder erst in der Pubertät oder während der Schwangerschaft, seltener nach dem 35igsten Lebensjahr. Auslösende Faktoren eines primären Lymphödems können Bagatellverletzungen wie Schnitt-/Stichverletzungen, aber auch Insektenstiche, Verbrennungen (Sonne) und Interdigitalmykosen sein.
Lymphödem Symptome
Beim Lymphödem kommt es unabhängig von der Ursache zu einer Schwellung der betroffenen Stelle, die sich durch die Flüssigkeitsfüllung prall anfühlt. In der Regel und vor allem in den Anfangsstadien ist ein Lymphödem schmerzfrei.
Hinweise für das Entstehen eines Arm-/Beinlymphödems können sein:
- schwere des Armes/Beines
- ziehende Schmerzen
- Schwellneigung, die sich evtl. über Nacht wieder zurückbildet
- leichtere Ermüdung des Armes/Beines
- vermehrte Schnürfurchen der Strümpfe (im Seitenvergleich)
Letztendlich entsteht eine üblicherweise nicht schmerzhafte chronisch andauernde Schwellung an den Beinen. Ein Armödem entsteht auf der Seite, auf welcher Lymphknoten in der Axilla entfernt wurden. Die Schwellungen führen mit Fortdauer zu Veränderungen an der Haut, wie Warzen, Pigmentierungen, Fußpilz und Fisteln, um nur einige zu nennen. Die Haut im Bereich des Lymphödems ist besonders anfällig für Infektionen, sogenannte Erysipele.
Betroffene Patienten werden darauf hingewiesen, dass sie
- körperliche Überanstrengung
- große Hitze
- große Kälte
- Verletzungen, dazu gehören auch Injektionen durch den Arzt
- Blutdruckmessungen auf der betroffenen Seite
vermeiden sollen, um das Lymphödem nicht zu verschlechtern, bzw. um nicht zu einem Auslösen eines Lymphödems beizutragen.
Weiterhin können primäre und sekundäre Lymphödeme eine unterschiedliche Symptomatik aufweisen.
Ein primäres Lymphödem tritt oft symmetrisch, also an beiden Seiten des Körpers, beispielsweise an beiden Füßen auf. Eine weitere Eigenschaft des primären Lymphödems ist die aufsteigende Ausbreitung, beispielsweise von den Füßen über die Fußgelenke zum Unterschenkel. Außerdem können die Ödeme sich in warmen Jahreszeiten oder mit der Menstruation bei Frauen verstärken.
Ganz typisch sind die sogenannten Kastenzehen, dabei nehmen die Zehen durch den zunehmenden Druck eine viereckige Form an. Da die Zehen mit Flüssigkeit prall gefüllt sind, lässt sich dort keine Hautfalte mehr abheben, Mediziner sprechen hier vom Stemmer-Zeichen.
Das sekundäre Lymphödem liegt meist einseitig vor und wandert von oben nach unten, beispielsweise von der Achsel in Richtung Hand oder von der Leiste in Richtung Fuß. Dabei sind aber Vorfuß und Zehen typischerweise nicht betroffen, sodass hier die Ursachenformen der Lymphödeme unterschieden werden können.
In welchen Stadien verläuft ein Lymphödem?
Der Ablauf des Lymphödems kann in vier Stadien unterteilt werden:
Im Latenzstadium fehlt eine klinische Schwellung, was jedoch nicht bedeutet, dass ein anatomisch intaktes und physiologisch funktionierendes Lymphgefäßsystem besteht. Man kann es auch als subklinisches Lymphödem bezeichnen.
Im Stadium I besteht ein sichtbares weiches Ödem, das sich bei Hochlagerung zurückbildet. Es ist spontan reversibel.
Im Stadium II besteht ein sichtbares Ödem, das sich bei Hochlagerung nicht mehr zurückbildet. Es ist spontan nicht reversibel. Es kommt zu Gewebeveränderungen, wie Fibrosen und zu weiteren Hautveränderungen.
Im Stadium III wird das Ödem auch als lymphostatische Elephantiasis bezeichnet. Dies ist eine ausgeprägte Schwellung mit starken Veränderungen der Haut. Das Ödem ist hart und prall gefüllt. Es können Schmerzen auftreten, die auf Druckschäden an den Nerven zurückzuführen sind. Die lokale Körperabwehr ist gestört, sodass es zum Auftreten von Entzündungen der Haut und Pilzinfektionen kommen kann.
Welche Körperteile können betroffen sein?
Lymphödem Beine
Primäre Lymphödeme betreffen zu mehr als 90% die Beine. Frauen sind deutlich häufiger von primären Lymphödemen betroffen als Männer. Dabei sind von Geburt an zu wenig Lymphgefäße, gar keine Lymphgefäße, ausgeweitete Lymphgefäße oder zu gering ausbildete Lymphknoten vorhanden. Diese Lymphödemform beginnt meist mit einer Schwellungsneigung im Bereich des Fußes, der Knöchel und am Unterschenkel.
Ein anderes Problem kann die fehlerhafte Anlage der Klappen in den Lymphwegen sein, die normalerweise ein Zurückfließen der Lymphflüssigkeit verhindern sollen. Funktionieren diese nicht richtig, kann ein Lymphödem entstehen.
Sekundäre Lymphödeme können sowohl an Beinen und Armen entstehen. Die Ursachen können sehr vielfältig sein. Sekundäre Lymphödeme nach Krebsoperationen im Bereich der Genitalien und im kleinen Becken beginnen zumeist an der Extremitätenwurzel (Leiste/Oberschenkel).
Lymphödem Arm
Sekundäre Lymphödeme im Bereich der Arme entstehen vor allem bei Frauen durch ärztliche Eingriffe: Bei 40 Prozent aller Patientinnen, denen im Rahmen einer Brustkrebsoperation auch die Lymphknoten und Lymphbahnen der Achselhöhle entfernt wurden, entsteht eine Abflussstörung der Lymphe. Eine zusätzliche Bestrahlungsbehandlung nach dieser Operation begünstigt das Auftreten des Lymphödems. Durch diese große Nebenwirkung bei der Brustkrebstherapie werden Lymphknoten nicht mehr routinemäßig entfernt, sondern nur noch nach sorgfältiger Abwägung der verschiedenen Vor- und Nachteile.
Lymphödem Behandlung
Lymphödem konservative Therapie
Ein Lymphödem kann nicht ursächlich behandelt werden und damit auch nicht geheilt werden. Allerdings gibt es verschiedene Möglichkeiten die Schwellung/das Ödem zu lindern. Hierbei hilft vor allem die sogenannte kombinierte physikalische Entstauungstherapie (KPE), die in eine Entstauungs- und eine Erhaltunsphase unterschieden werden, welche – grundsätzlich – aus mehreren Säulen bestehen:
- Lymphdrainage
- Kompressionstherapie
- Entstauende Bewegungstherapie
- Hautpflege
- Selbstmanagement
Die manuelle Lymphdrainage nach Dr. Vodder ist eine besondere Form der Massage. Dabei wird mit sehr leichten, hautverschiebenden Griffen versucht das Gewebe zu verziehen, um damit auf die Angiomotorik der Lymphgefäße einzuwirken. Gleichzeitig wird durch die Griffabfolge erreicht, dass die lymphpflichtigen Lasten in Richtung funktionierendes Lymphabflussgebiet mechanisch verschoben werden. Mit dieser besonderen Massagetechnik wird die Drainagewirkung des Lymphgefäßsystems gesteigert, mögliche Hautveränderungen (Fibrosen) erweicht und der Rückstrom gefördert. Sie wird als Zusatz-Qualifikation von Physiotherapeuten und Masseuren im Rahmen einer vierwöchigen Weiterbildung erworben.
Bei der Kompressionstherapie werden in der Entstauungsphase der KPE Bandagen unterschiedlicher Art an die ödematöse Extremität anbandagiert. Die – zumeist verwendeten – Kurzzug-Bandagen sind so individuell angepasst, dass damit ein gleichmäßiger Druck auf die Extremität ausgeübt wird. Damit wird der Rückfluss von lymphpflichtigen Lasten in die ödematöse Extremität vermieden. Der venöse Abfluss und die Erweichung von Fibrosen werden durch die Bandagierung unterstützt.
Bei der Kompressionstherapie in der Erhaltungsphase der KPE wird ein individuell angemessener flachgestrickter Kompressionstrumpf angelegt, dessen Wirkweise der Bandage ähnlich ist, jedoch
dauerhaft weniger individuell. Der Kompressionsstrumpf muss bei fleißigem Tragen nach 4-6 Monaten getauscht und neu angemessen werden.
Bei der Bewegungstherapie wird ein physiologisches Prinzip genutzt, nämlich dass die bewegende Muskulatur die Lymphbahnen rhythmisch komprimieren und wieder dehnen. So wird die Lymphflüssigkeit in ihren Gefäßen in Richtung Herzen massiert, die Lymphklappen funktionieren wie Ventile, sorgen für die richtige Richtung und verhindern den Rückstrom.
Die Hautpflege soll dazu dienen, Einrisse und Verletzungen der Haut vorzubeugen. Diese Pflege beinhaltet regelmäßige Fußbäder und das Auftragen von Feuchtigkeitscreme.
Grundsätzlich gilt je optimaler das Selbstmanagement des Lymphödems ist, dazu zählen auch die Eigenbehandlungen, wie Atemtherapie und Massagetechniken im Bereich Achselhöhle und Leistenregion sowie die tägliche Bewegungstherapie im Kompressionsstrumpf und verlässliche Hautpflege der ödematösen Extremität. Allfällige diätische Maßnahmen und psychologische Unterstützung sind ebenso Teil des Selbstmanagements. Desto besser der Patient mit seiner chronischen Krankheit, dem Lymphödem umgehen kann, kann das „Symptom“ Lymphödem gelindert werden.
Lymphödem-Selbstmanagement
Ziel des Selbstmanagement bei einer diagnostizierten Lymphabflussstörung ist es, den Lymphstau solange wie möglich hintan zu halten. Dabei werden folgende Verhaltensweisen, die auch für Patienten mit einem bestehenden Lymphödem gelten, empfohlen:
- Beine und Arme mehrmals täglich hochlagern
- Haut sorgsam pflegen
- individuell angepasste Kompressionstrümpfe dauerhaft und verlässlich tragen
- körperliche Überanstrengung vermeiden
- große Hitzeeinwirkung (Sonnenbaden, heißer Backofen etc.) auf die betroffene Extremität vermeiden
- große Kälte (Schneemann bauen mit bloßen Händen etc.) auf die betroffene Extremität vermeiden
- Verletzungen, dazu gehören auch Injektionen durch den Arzt, vermeiden
- Blutdruckmessungen auf der betroffenen Seite vermeiden
- keine einengenden Kleidungsstücke und Schuhe tragen
- Insektenstiche vermeiden
Lymphödem Operation
Wenn diese konservativen Behandlungen nicht anschlagen, stehen seit einigen Jahren neue OP-Techniken zur Behandlung von Lymphödemen zur Verfügung. Besonders in frühen Stadien vor dem Entstehen von Hautveränderungen, wie Fibrosen bieten sich mikrochirurgische Eingriffe mit dem Ziel der Verbesserung des Lymphtransports an. Der Lymphtransport kann durch Lymphbahntransplantation oder Lymphknotentransplantation verbessert werden. Bei beiden Verfahren wird nur körpereigenes Gewebe transplantiert. Die Lymphknoten werden zuvor aus einer anderen Körperregion entnommen. Diese mikrochirurgischen Eingriffe können nur nach guter präoperativer Diagnostik mit Funktionslymphszintigrafie und Sonografie der Lymphgefäße durchgeführt werden.
Welche Ärzte und Kliniken sind Spezialisten für eine Lymphödem Behandlung?
Die konservative Behandlung des Lymphödems fällt in das Fachgebiet von Ärzten mit einer lymphologischen Zusatzqualifikation. Diese Qualifikation kann im Rahmen einer vierwöchigen Weiterbildung in der Dr. Vodder Akademie/Walchsee erworben werden. Die Leitung einer bettenführenden Sonderkrankenanstalt/Rehabilitationsklinik für Lymphödem-Patienten obliegt in Österreich jedoch einem Facharzt für physikalische Medizin, einem Facharzt für Innere Medizin oder einem Facharzt für Dermatologie.
Sobald ein Lymphödem im Stadium II diagnostiziert wurde, ist ein Aufenthalt in einer Rehabilitationsklinik für Lymphödempatienten angezeigt. Die dort angewandten Therapien und Schulungen führen zu guten Kenntnissen im Selbstmanagement des Lymphödems, sodass der Patient bei guter Compliance – im ambulanten Setting – seine Krankheit gut im Griff haben und das Ergebnis des stationären Aufenthaltes halten kann.
Wir von Primo Medico möchten Patienten dabei unterstützen, die jeweils erfahrensten und fachkompetentesten Behandler für das jeweilige Krankheitsbild zu finden. Daher haben wir sämtliche hier gelisteten Fachärzte und Kliniken sorgfältig überprüft und ausgewählt. Sie sind allesamt Experten auf dem Gebiet der Lymphologie und kompetente Ansprechpartner rund um das Thema Lymphödem. Profitieren Sie von der Erfahrung unserer Spezialisten und vereinbaren Sie schnell und unkompliziert ein erstes persönliches Beratungsgespräch.
Quellen:
Flasnoecker (Hrsg.): TIM, Thieme's Innere Medizin. Thieme 1999, ISBN 978-3-131-12361-9.
Hahn: Checkliste Innere Medizin. 6. Auflage. Thieme 2010, ISBN 978-3-131-07246-7.
Herold et al.: Innere Medizin. Eigenverlag 2012, ISBN 978-3-981-46602-7.
Manuelle Lymphdrainage nach Dr. Vodder; Hildegard Wittlinger et.al; Thieme-Verlag
Erkrankungen des Lymphgefäßsystems; Horst Weissleder et.al; Viavital-Verlag
Lehrbuch der Lymphologie; M.Földi et al; Gustav Fischer Verlag
Angewandte Lymphologie; Erich Brenner et.al; Springer-Verlag
Fachbeiträge
Lymphödem: Dr. Grummt, Wittlinger Lymphödemklinik
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