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Was ist ein neuroendokriner Tumor?
Neuroendokrine Tumore sind Gewebsneubildungen, die aus hormonbildenden Zellen bestehen. Diese Hormonbildung und -abgabe ins Blut wird auch als endokriner Mechanismus bezeichnet, wovon sich der Name ableitet. Die Vorsilbe -neuro stammt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie das Nervensystem betreffend. Diese Zellen stammen also aus dem Nervensystem und schütten Hormone zur Informationsweiterleitung aus.
In etwa 50% der Fälle sind diese Tumore ebenfalls in der Lage, Hormone auszuschütten. Bei dieser übermäßigen Hormonproduktion spricht man auch vom sogenannten Hypersekretionssyndrom.
Grundsätzlich können die neuroendokrinen Tumore im gesamten Körper auftreten, meistens findet man sie aber im Magen-Darm-Trakt und in der Bauchspeicheldrüse, da hier besonders viele neuroendokrin aktive Zellen zu finden sind.
Die NET werden anhand ihrer Wachstumsgeschwindigkeit in Grade eingeteilt. Dafür wird gemessen, wie viele Tumorzellen sich beim Zeitpunkt der Messung gerade im Stadium der Zellteilung befinden. Niedrige Wachstumsraten bezeichnen also Tumore, bei denen nur wenige Zellen des gesamten Tumors gerade in einem solchen Stadium sind. Tumore mit schneller Wachstumsrate werden auch als neuroendokrine Karzinome bezeichnet.
Wie entsteht ein neuroendokriner Tumor?
Leider ist es aus heutiger medizinischer Sicht noch unbekannt, warum ein neuroendokriner Tumor entsteht. In wenigen Fällen entstehen diese Tumore aufgrund einer genetischen Veränderung. Zu den vererbbaren Syndromen, die einen neuroendokrinen Tumor hervorrufen können, gehören:
- MEN1
- Tuberöse Sklerose
- Von-Hippel-Lindau-Syndrom
- Neurofibromatose
- Hypophysenadenom
Für neuroendokrine Tumore konnten bislang keine Risikofaktoren identifiziert werden. Daher gestaltet es sich als äußerst schwierig, vorbeugende Maßnahmen zu ermitteln. Aus diesem Grund existieren auch keine Früherkennungsuntersuchungen. Die Ausnahme bilden dabei genetische Testungen bei einem MEN-Syndrom.
Unter dem Begriff MEN oder Multiple Neuroendokrine Neoplasien fasst man verschiedene Erkrankungen zusammen, bei denen es zu endokrinen Neubildungen kommt und bei denen in den meisten Fällen eine genetische Ursache identifiziert werden konnte. Wurde eine solche Erkrankung bei einem nahen Verwandten diagnostiziert, dann haben die Betroffenen einen Anspruch auf eine genetische Untersuchung.
Häufigkeit und Altersverteilung bei neuroendokrinen Tumoren
Neuroendokrine Tumore gehören zu den eher seltenen Erkrankungen. Im Schnitt kommt es jährlich zu etwa 2-4 Neuerkrankungen pro 100 000 Einwohner. Die Zahl der diagnostizierten neuroendokrinen Tumore ist dabei in den letzten Jahren gestiegen. Ein möglicher Grund hierfür könnte aber auch in der Verbesserung der diagnostischen Methoden liegen.
Meist treten die Tumore erst mit steigendem Lebensalter auf, die Patienten sind zum Zeitpunkt der Diagnose in der Regel zwischen 50 und 60 Jahren alt. Bei jüngeren Patienten mit neuroendokrinen Tumoren sollte immer an eine genetische Ursache gedacht werden.
Männer und Frauen scheinen etwa zum gleichen Anteil betroffen zu sein.
Symptome
Bezüglich der Symptomatik lassen sich neuroendokrine Tumore in funktionelle und nicht-funktionelle Tumore einteilen. Funktionelle Tumore produzieren Hormone und verursachen dadurch bestimmte Symptome. Den Zellen der nicht-funktionellen Tumoren fehlt diese Fähigkeit. Von den funktionellen Tumoren lassen sich weiterhin die neuroendokrinen Karzinome abgrenzen.
Funktionelle Tumore
Die funktionellen Tumore werden jeweils nach dem von ihnen produzierten Hormon und der Endung -om bezeichnet. So handelt es sich beispielsweise bei einem Insulinom um einen Insulin-produzierenden neuroendokrinen Tumor.
Etwa die Hälfte aller funktionellen Tumore befinden sich im oberen Gastrointestinaltrakt. Hier zu nennen sind vor allem das Insulinom und Glukagonom der Bauchspeicheldrüse sowie das Somatostatinom der Bauchspeicheldrüse oder des Dünndarms.
Insulin und Glukagon gehören zu den wichtigsten Hormonen unseres Körpers. Sie regulieren gemeinsam den Kohlenhydratstoffwechsel. Insulin fördert die Glukoseaufnahme in die Zellen, fehlt es, entsteht ein Diabetes. Glukagon ist der Gegenspieler und fördert den Abbau von Energiereserven, sodass der Blutzuckerspiegel steigt.
Neuroendokrine Tumore, die diese beiden wichtigen Hormone produzieren, verursachen entsprechend Symptome, die im Zusammenhang mit dem Kohlenhydratstoffwechsel stehen. Es kann zu starken Schwankungen des Blutzuckerspiegels oder auch zu einem Diabetes kommen.
Somatostatin wird von speziellen hormon-produzierenden Zellen in der Bauchspeicheldrüse und im Dünndarm, in geringem Umfang auch im Magen, gebildet. Das Hormon kann gewissermaßen als universelles Stoppschild angesehen werden, da es die Ausschüttung vieler anderer Hormone hemmt.
Somatosatinome können durch die Hemmung der Insulinausschüttung beispielsweise einen Diabetes hervorrufen, führen häufig aber auch zu Gallensteinen. Dies lässt sich dadurch erklären, dass auch solche Hormone gehemmt werden, die die Gallenblasenbeweglichkeit fördern.
Neuroendokrine Karzinome
Neuroendokrine Tumore, deren Zellen eine sehr schnelle Wachstumsrate aufweisen, werden als Karzinome bezeichnet. Sie produzieren in den meisten Fällen vor allem das Hormon Serotonin und rufen dadurch das sogenannte Karzinoid-Syndrom hervor.
Serotonin fungiert als Botenstoff im Nervensystem und ist unter anderem am Schlaf-Wach-Rhythmus, der Schmerzempfindung und dem Gedächtnis beteiligt. Zudem fördert es die Darmbeweglichkeit. Hieraus lassen sich die wichtigsten Symptome eines Karzinoid-Syndroms ableiten. Es können Durchfälle oder Krämpfe im Magen-Darm-Trakt auftreten.
Viele neuroendokrine Karzinoide produzieren neben Serotonin auch noch weitere Hormone wie beispielsweise das Bradykinin. Dies ist maßgeblich an der Regulation der Weite der Blutgefäße und am Blutdruck beteiligt. Es kann dann beispielsweise zum sogenannten Flush kommen. Dabei handelt es sich um ein plötzliches Hitzegefühl, das meist mit einer starken Rötung des Gesichtes einhergeht.
Das Karzinoid-Syndrom neigt sehr zu einer Bildung von Metastasen. Diese Absiedelungen der bösartigen Zellen finden sich meist in der Leber.
Nicht-funktionelle Tumore
Neuroendokrine Tumore, die keine Hormone produzieren, fallen dadurch auf, dass sie Schmerzen durch Verdrängung verursachen, sobald sie eine bestimmte Größe erreicht haben.
Da sie keine Hormone ausschütten und mitunter ein langsames Wachstum aufweisen können, bleiben sie häufig sehr lange unbemerkt.
Diagnostik
Die Diagnostik von neuroendokrinen Tumoren kann sich als äußerst schwierig erweisen. Viele Tumore rufen kaum Symptome hervor und viele der auftretenden Symptome wie beispielsweise ein Diabetes mellitus lassen sich auf viele verschiedene Ursachen zurückführen.
Zunächst erfolgen eine ausführliche Anamnese und körperliche Untersuchung. Hat der Tumor bereits eine gewisse Größe erreicht, ist er tastbar und gibt so erste Hinweise für die weitere Diagnostik. Im Folgenden werden Urin- und Blutproben entnommen und auf überschüssige Hormone sowie Tumormarker untersucht.
Zusätzlich werden verschiedene bildgebende Verfahren eingesetzt, um den Tumor darzustellen. Als erstes wird dabei eine Ultraschalluntersuchung des Bauchraums durchgeführt, da dies die häufigste Lokalisation neuroendokriner Tumore ist.
Zur genaueren Darstellung und zur Planung einer Operation werden entweder eine Magnetresonanztomographie oder eine Computertomographie durchgeführt. Eine Bestätigung von Auffälligkeiten bei solchen bildgebenden Verfahren kann ein sogenanntes PET-CT liefern. Bei dieser Form der Bildgebung werden radioaktiv-markierte Substanzen über eine Vene in den Körper eingebracht, die Tumorgewebe aufleuchten lassen.
Neuroendokriner Tumor Therapie
Bei kleinen Tumoren ohne Tochtergeschwülste wird eine Operation durchgeführt. Kann der Tumor komplett entfernt werden, ist die Behandlung abgeschlossen.
Bei größeren Tumoren kann eine Chemotherapie vor der Operation sinnvoll sein, um die Größe zu reduzieren, bevor der Tumor entfernt wird. Auch eine Chemotherapie nach einer Operation ist denkbar.
Neue Therapieverfahren bei NET
Ein neueres Therapieverfahren stellt der Einsatz von Tyrosinkinase-Inhibitoren dar. Dies ist ein Medikament, welches zielgerichtet den Rezeptor blockiert, der der Zelle das Kommando zum Wachstum vermittelt. Die Wirkung ist gut und die Nebenwirkungen sehr gering.
Ein weiteres neues Therapieverfahren der Nuklearmedizin ist die PRRT. Bei der PRRT wird ein radioaktives Molekül an ein Peptidmolekül gekoppelt, welches dem Somatostatin sehr ähnlich ist und so an den Somatostatin-Rezeptoren auf dem neuroendokrinen Tumor andocken kann. Nach dem Andocken zerstört die freigesetzte Strahlung des gekoppelten radioaktiven Moleküls alle Zellen in nächster Umgebung und somit gezielt die Tumorzellen.
Die Erfolge der PRRT sind sehr variabel. Sie kann zu einer totalen Rückbildung oder zu einer Volumenverkleinerung der Tumore und der Tochtergeschwülste führen.
Sind neuroendokrine Tumore heilbar?
Die Prognose von NET ist wie bei allen Tumoren abhängig davon, wie groß der ursprüngliche Tumor ist und ob sich bereits Tochtergeschwülste, sogenannte Metastasen, gebildet haben.
Bei einem kleinen Tumor ohne Metastasen kann eine operative Entfernung die Heilung bedeuten. Sind Metastasen vorhanden, müssen die dortigen Zellen durch eine Chemotherapie abgetötet werden bzw. in ihrem Wachstum gebremst werden.
Die individuelle Therapieentscheidung obliegt den gesundheitlichen Voraussetzungen, die der Betroffene mitbringt. Junge Patienten ohne Vorerkrankungen können eine intensivere Therapie durchstehen, während bei älteren Patienten mit Vorerkrankungen zwischen Nutzen und Schaden abgewogen werden muss.
Lebenserwartung und Prognose
Weil neuroendokrine Tumore sehr unterschiedliche Erkrankungsausprägungen haben, lassen sich nur sehr schwer allgemeine Aussagen zur Prognose dieser Erkrankung treffen. Ein entscheidender Faktor ist hierbei die Wachstumsrate des Tumors.
Bei Tumoren mit einer sehr geringen Wachstumsrate, die dem Grad 1 zugeordnet werden, wie beispielsweise ein neuroendokriner Tumor im Bereich des Blinddarms, liegt die 10-Jahresüberlebensrate bei etwa 99%. Dies bedeutet, dass nur etwa 1% aller Erkrankten in einem Zeitraum von 10 Jahren nach Diagnosestellung stirbt.
Neuroendokrine Karzinome hingegen weisen eine 10-Jahresüberlebensrate von etwa 90% auf. Haben sich allerdings bereits Metastasen gebildet, liegt dieser Wert nur noch bei etwa 50%.
Welche Ärzte und Kliniken sind NET Spezialisten?
Neuroendokrine Tumore sind selten und in ihrem Krankheitsbild sehr vielfältig und komplex. Daher benötigen die Patienten eine umfassende und sehr enge interdisziplinäre Betreuung aus Chirurgen, Nuklearmedizinern, interventionelle Radiologie, Gastroenterologie und Schmerztherapie. In zertifizierten NET Zentren wird die bestmögliche Versorgung für betroffenen Patienten sichergestellt.
Wir helfen Ihnen einen Experten für Ihre Erkrankung zu finden. Alle gelisteten Ärzte und Kliniken sind von uns auf Ihre herausragende Spezialisierung im Bereich Neuroendokrine Tumore überprüft worden und erwarten Ihre Anfrage oder Ihren Behandlungswunsch.
Quellen:
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- Amboss, Nachschlagewerk für Mediziner
- next.amboss.com/de/article/_h05gf
- Deutsche Krebsgesellschaft e.V.
- www.krebsgesellschaft.de/onko-internetportal/basis-informationen-krebs/krebsarten/weitere-krebsarten/neuroendokrine-tumoren/haeufigkeit-ursache-und-sympt.html
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